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Marode Freyberg Brauerei in Halle

Fassade der maroden Freyberg Brauerei in Halle spiegelt sich in der Saale

So schön grüßte die marode Freyberg Brauerei in Halle viele Jahre lang die Saale-Spaziergänger auf der anderen Uferseite. Und das, so schien es, mit gewissem Stolz. Denn hinter den Ziegelsteinmauern stellte die einstmals größte Privatbrauerei Deutschlands viele Hektoliter Gerstensaft her. Nach der Wende kam das Aus für den „Meisterbräu“-Produzenten. Die Gebäude verfielen. Jetzt allerdings herrscht wieder reges Treiben auf dem Lost-Place-Gelände. Denn es wird zur schicken Wohnanlage umgebaut.

Juwel der Industriearchitektur

Die Abrissbagger haben ihr Werk getan. Einige Gebäude der alten Freyberg Brauerei in Halle sind abgetragen. Das an historischer Bausubstanz, was jetzt noch steht, wird saniert. Und integriert in eine neue Wohnanlage mit exklusiven Lofts an der Saale. So ist zu erfahren.

Vom ehemaligen Haupttor habe ich gute Sicht auf die Baustelle. Ich sehe Baugeräte überall, Paletten mit Steinen, den Kran, die Bewehrungen. Bohrlärm dringt an mein Ohr. Männer mit Helmen entdecke ich, die die Gerüste hochsteigen. Oder die in Baupläne schauen.

Genug geschaut am Haupttor. Jetzt schlendere ich rechts am Gelände vorbei in Richtung Saale. Durch den Maschendrahtzaun sehe ich, dass die alte Substanz ausgedünnt wurde. Und Neubauten schon stehen. Die Ziegelwand mit dem Schriftzug „Freybergs Brauerei“ ist allerdings verschwunden. Bis auf ein kleines Stück. Dort, wo sich die zur Saale blickende Jugendstil-Fassade rechtwinklig zur Wand anschließt. Die Schau-Fassade mit den beiden Türmchen bleibt erhalten. Nicht nur, weil sie unter Denkmalschutz steht. Sondern auch, weil sie mit ihrer Eleganz und Luftigkeit wirklich ein Juwel der Industriearchitektur darstellt. Und sich gut in die neue Wohnanlage einfügen wird. Ordentlich aufgehübscht natürlich.

Blick auf abgerissene Gebäudeteile der maroden Freyberg-Brauerei in Halle

Uneinnehmbare Festung

Zeit, ein paar Jahre zurückzublicken. Bei Urbexern hatte die marode Freyberg-Brauerei in Halle den Ruf einer uneinnehmbaren Festung. Wenn das Werktor geschlossen war, gab es nur einen Zugang ins Bier-Heiligtum. Das war ein Fenster an der zum Fluss abfallenden Ziegelwand. Da, wo vor den Bauarbeiten der Firmen-Schriftzug auf dem Mauerwerk stand. Dumm nur, dass sich das Fenster in etwa drei Metern Höhe befand. Doch da musste hoch, wer rein wollte in die alte Freyberg Brauerei in Halle. Es sei denn, man begnügte sich mit einem Blick durch ein Loch im Eisentor..

Der Einstieg für Sportliche ist jetzt weg. Wie auch der Brauerei-Schriftzug mit der Jahreszahl 1892 darunter. Dafür ist nun aber zu sehen, was den Blicken von außen einst verborgen blieb. Nämlich, dass die Jugendstil-Fassade dem Schwankhallengebäude vorgeblendet war.

Luftiger Ausguck

Ich erinnere mich an meine Brauerei-Exkursion. Den Gang zwischen Mauer und Fassade konnte man damals entlanglaufen. Und dabei auf die andere Flussseite schauen. Das Mauerwerk aus ockerfarbenen Ziegeln war auf beiden Seiten unverputzt. Manche Fenster der Schau-Fassade standen offen. Oder waren zerbrochen. Alles in allem ein recht zugiger Ort. Der eher nicht zum Verweilen einlud. Interessanter war da schon das Sammelsurium an Firmengebäuden der alten Freyberg Brauerei in Halle. Sie waren nicht aus einem Guss. Sondern kamen mit den Jahren dazu. Immer dann, wenn die Brauerei ihre Produktion erweiterte.

Ins Auge sticht den Besuchern auch heute noch der Oktogon-Treppenturm. Aus braunem Backstein wurde das Schmuckstück gemauert. Das muss 1934 gewesen sein. Jedenfalls lässt das die integrierte Jahreszahl vermuten. Das dominante Achteck bleibt erhalten. Wie auch der Turm gegenüber. Der findet ebenfalls seine Eingliederung in die neue Wohnanlage. Von diesem luftigen Ausguck hatte ich einst einen guten Blick auf die Plattenbauten in der Nachbarschaft.

Blick durch ein Loch aufs Gelände der maroden Freyberg Brauerei in Halle

Rohre an der Decke

Zurück ins Schwankhallengebäude der ehemaligen Freyberg-Brauerei in Halle. Schon vor Jahren wurde das 1912 errichtete Gebäude leergeräumt. Nur ein paar Rohre schlängelten sich bei meinem Besuch an den Decken lang. Wenig ansehnlich präsentierten sich auch die Kellerräume mit den Gährungs- und Abfüllanlagen. In den Werkstätten und Büros fehlte ebenfalls sämtliches Mobiliar. Dafür türmten sich überall Müllberge. Holzlatten lagen kreuz und quer übereinander. Nägel reckten sich aggressiv nach oben. Vorsicht war geboten. Wie auch bei den Treppen. Denen fehlten nicht selten die Geländer. Dafür gab es jede Menge Graffiti. Die charakteristische „Tapete“ vieler Lost Places. Wie Gardinen wirkte der wild wuchernde Knöterich vor den Fenstern.

Blick in eine Halle in der maroden Freyberg Brauerei in Halle

Riesenlöcher im Sudhaus

Ein Highlight für mich war das alte Sudhaus. Schon auf dem Weg dorthin kamen Anzeichen eines Brandes in den Blick. Überall verkohltes Holz und geschwärztes Mauerwerk. Im 1884 erbauten Gebäude grüßte ein grüner Kessel. Ein stummer Zeuge hallescher Brau-Tradition. Alle anderen Anlagen waren demontiert. Kreisrunde Löcher im Boden ließen das Ausmaß der Kessel erahnen, die hier einst standen. Als die Produktion des Gerstensaftes in der Saalestadt noch florierte.

Die Geschichte der Traditionsbrauerei ist übrigens schnell erzählt. 1816 gründete Stärkefabrikant Christian Gottfried Rauchfuß das hallesche Unternehmen. Das befand sich damals noch am Großen Berlin. Sohn Friedrich Wilhelm Hermann führte den Betrieb ab 1846 weiter. Bis sein Neffe Hermann Freyberg 1879 die Firma übernahm. Er ließ auf dem Gelände zwischen Saale und Glauchaer Straße Gebäude errichten und verlagerte 1886 die Bierherstellung hierher. Ein weiteres Kapitel der erfolgreichen Familientradition fügte Sohn Hans an. So galt die Firma in den 30er Jahren als größte Privatbrauerei Deutschlands. Rund 100.000 Hektoliter Gerstensaft verließen etwa 1931 den Betrieb. Nach der Wende kam das Aus für den Bierbrauer aus der Saalestadt. Für Urbexer wurde die marode Freyberg Brauerei in Halle ein interessantes Ziel.

Sudhaus in der maroden Freyberg Brauerei in Halle
Sudhaus in der maroden Freyberg Brauerei in Halle

Speisesaal in Knallrot

War das immer schon so rot hier? Oder hatten ein paar Scherzbolde die Wände im Treppenhaus und im Speisesaal der maroden Freyberg Brauerei in Halle nach deren Schließung mit dieser knalligen Farbe gestrichen? Sogar der schräg an der Decke baumelnde Kronleuchter wurde nicht ausgespart. Und auch die Toiletten hatten ordentlich Farbe abbekommen. Irgendwie mutete das ziemlich surrealistisch an.

Blick in die Kantine der maroden Freyberg Brauerei in Halle

Weitere verlassene Orte in der Umgebung

In der Nähe der Freyberg Brauerei trifft man am Saaleufer auf eine verlassene Mühle. Ebenfalls in der Saalestadt, mitten im Zentrum, gibt es eine alte Polizeidirektion. Am Güterbahnhof stößt man auf eine marode Spritfabrik und einen Steinwurf entfernt auf das RAW Halle. Ein nicht mehr zugänglicher Lost Place in Sachsen-Anhalt ist das Schloss Vitzenburg. Eine andere ehemalige Brauerei ist die Sternburg-Brauerei in Sachsen. Die vor einiger Zeit noch verlassene Brauerei in Böllberg wird gerade umgewidmet zur Wohnanlage. Pläne zur Umgestaltung gab es für den maroden Schlachthof in Halle. Aber noch immer ist er eine Industriebrache, die seit drei Jahrzehnten leer steht.

5 Kommentare

  1. Cornelia Frosch

    Der Beitrag über die Brauerei und deren Geschichte mag ja schön und gut sein.
    Aber niemand, wirklich niemand verschwendet einen Gedanken an die Menschen, die in unmittelbarer Nähe das dritte Jahr dem extremen Lärm und Staub ausgesetzt sind. Im Sommer war es seit dieser Zeit nicht möglich, den Balkon zu nutzen. Aufgehängte Wäsche, kein Kommentar. Seit einigen Tagen werden Schutt und Erdreich durch die schmale Straße am Unterplan abtransportiert.
    Neuerdings beginnen die Arbeiten schon 6 Uhr früh und mit etwas Glück ist der Lärm gegen 19 Uhr vorbei. Aber das ist den Bauherren ja egal, Hauptsache, am Ende springt genug bei heraus.
    …die Anwohner sind jetzt schon am Ende.

    • richter

      Hallo, Frau Frosch, vielen Dank für Ihre Zeilen. Ich stimme Ihnen zu, Baustellen sind ein Ärgernis. Auf den Straßen und Autobahnen behindern sie unser Leben, aber auch im städtischen Wohnungsbau. Und wenn man unmittelbar neben einer solchen Baustelle lebt, dann nervt das umso mehr. Auch ich habe es schon erleben müssen.
      Ich hoffe, dass die Bauarbeiten in Ihrem Umfeld bald abgeschlossen sein werden. Nach drei Jahren könnte man das erwarten.
      Ich wünsche Ihnen, dass endlich wieder Ruhe einkehrt in Ihrem Viertel.
      Beste Grüße
      Elke Richter

  2. Marcus

    Hallo Elke,
    Marcus nochmal. Das wird ja immer interessanter.
    In der Brauerei hier war ich leider nie drin, weil Anfang verpasst. Sobald die Assitruppen dort durchgezogen sind, alles zerdroschen und beschmiert haben, interessiert mich so eine Lokalität nur noch am Rande. Wirklich interessant sind die stillgelegten Hallen kurz nach Betriebsschluß. Wenn der Riese schläft, die Assikinder und Idioten aber noch nicht da waren.

    Schönes Erlebnis etwa 2015 war im JKH an der LuWu, das Haus und der BC waren verlassen, aber alles noch vorhanden. Überall noch Strom drauf. Im großen Hörsaal (da liegt jetzt die Goseckestraße drauf) war noch Strom, große Schalttafel, mit der sich die Technik steuern ließ. So mag ich das. Verborgen und verlassen. Nicht zerkloppt. Alle meins für den Moment.

    In der Freyberg-Brauerei war mein Großvater nach der Rückkehr aus dem Krieg Chef in der Schwankhalle. So erzählt es die Familiengeschichte, er ist vor meinem Erscheinen in der Welt gestorben, so konnte ich ihn leider nicht befragen. Gelernt hat er bei EKU Kulmbach und war vor dem Krieg Kellermeister bei Sternburg in Lützschena.

    Das hast Du oben auch im Angebot, ich schaue gleich mal rein.

    Nachtrag zu Freyberg:
    „Speisesaal in Knallrot. War das immer schon so rot hier?“ ist auf eine Zwischennutzung als Dance-Club in den wilden Nachwendejahren zurückzuführen. „Kantine“ hieß der Laden.

    Und wenn Dich all die Hintergrundgeschichten interessieren, dann alles weiter per PN auf der Mail.

    Viele Grüße zur Nacht, Marcus

  3. Held Herta geb. Rauchfuß

    Hallo, ich bin eine Nachfahrin von Cristian Gottfried Rauchfuß. Wilhelm Rauchfuß muss mein Urgroßvater sein. Durch Zufall habe ich erfahren was nun mit der alten Brauerei passiert. Ich bin erfreut dass das marode Anwesen nun wieder zu neuem Glanz erstrahlen wird. Schön dass es auch wieder die Rauchfußstraße gibt. Ich werde alles weite vefolgen.

    • Elke Richter

      Liebe Frau Held, vielen Dank für Ihre Zeilen. Das ist sehr interessant, was Sie schreiben. In die Brauerei, die Ihr Urgroßvater betrieb, habe ich vor längerer Zeit reingeschaut und war auch mal zum Tag der offenen Tür zur Besichtigung. Hallensern ist das Objekt noch als alte Böllberger Brauerei bekannt. Auch hier wurden wie bei der Freyberg Brauerei die Gebäude für den Wohnungsbau erschlossen sowie eine Straße nach der Rauchfuß-Familie benannt. Demnächst werde ich einige Bilder von meiner Exkursion in die Rauchfuß-Brauerei auf dieser Seite veröffentlichen. Würde mich freuen, wenn Sie wieder mal reinschauen.
      Freundliche Grüße schickt Elke Richter

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