Verlassene Böllberger Mühle in Halle

Im Süden von Halle gibt es ein altes Firmengelände. Es ist die verlassene Böllberger Mühle. Bis in die 1970er Jahre versorgte sie die hallesche Bevölkerung mit Mehl. Mehrere Brände zerstörten die imposante Industrie-Architektur aus den Gründerjahren. Was blieb von dem denkmalgeschützten Areal ist trotzdem sehenswert. Noch in diesem Jahrzehnt wird dem Lost Place neues Leben eingehaucht. Denn auf dem Gelände soll ein Wohngebiet entstehen.

Inmitten Ruinen

Irgendwie erinnert mich die Kulisse an Krieg. Als hätten Flugzuge ihre Bombenlast abgeworfen und eine Feuersbrunst wäre danach über die Gebäude hinweggerast. Was blieb, sind Ruinen, die nun gen Himmel ragen. Bar jeder Stockwerke und Dächer. Natürlich wurde – soviel ich weiß – im II. Weltkrieg hier kein Bombentreffer registriert. Hier, das ist Böllberg, ein Stadtteil im Süden von Halle. Kein unbedeutender für die Saalestadt. Denn entlang des Wasserarms befanden sich etliche Versorgungsbetriebe. Brauereien etwa. Auch eine Mühle. Und in deren Überresten stehe ich gerade. Bis 1975 wurden hier täglich 110 Tonnen Mehl für die Hallenser Haushalte gemahlen und für den Export. Dann kam das Produktions-Aus. Seitdem ist die verlassene Böllberger Mühle ein Lost Place.

Zinnen bekrönen das Dach

Wer ihn sich anschauen möchte, den bremst erst einmal ein verrotteter Metallzaun. Ein Stück dahinter grüßt ein imposantes Fabrikgebäude. Wie eine Festung sieht es aus. An den Ecken mit Zinnen bekrönt. Die Segmentbogenfenster sind paarweise angeordnet. Was zusammen mit den Lisenen für eine klar strukturierte Optik der sandsteinfarbenen Fassade sorgt. Ich mag solcherart Industrie-Architektur.

Grün rankt an der linken Seite nach oben, bis hinauf ins dritte Geschoss. Im unteren Teil des Gebäudes ist das Gros der Fenster vermauert. Ich vermute, das sind sogenannte Blindfenster, um die Geometrie des Gebäudes nicht zu zerstören. Denn Fenster hat es an dieser Stelle damals wohl nicht gebraucht. Weil dieses Gebäude scheinbar als Speicher genutzt wurde.

Durch kniehohes Unkraut

Links vom Speicher, etwas vorgesetzt, steht die Fabrikantenvilla. Ziemlich marode sieht der zweigeschossige Putzbau aus. Ebenso wie die wahrscheinlich einstmals schöne Veranda. Die Villa schaue ich mir später an. Jetzt wate ich durch kniehohes Unkraut, rein in die verlassene Böllberger Mühle. Der Weg führt ohne Umwege auf den Speicher zu. Erst aus der Nähe sehe ich, dass das Gebäude keines mehr ist. Nur noch die Grundmauern stehen. Das Dach fehlt komplett.

Die verlassene Böllberger Mühle hinter Bäumen verborgen
Efeu rankt am Fenster

Gebäude aus der Gründerzeit

Ältere Hallenser kennen die verlassene Böllberger Mühle auch als Hildebrandsche Mühlenwerke AG. Namensgeber für den städtischen Mehl-Versorger war Louis Hildebrand. Der kaufte 1858 das Areal, einst ein Schiffsmühlen-Standort, ließ alte Gebäude abreißen und neue errichten. Was heute an Überresten auf dem Gelände gegenüber der Rabeninsel zu sehen ist, stammt aus den Jahren 1875 bis 1891. Auch der gemauerte Wasserturm, der schon von weitem die einstige Großmühle aus der Gründerzeit markiert. Doch den lasse ich erst mal links liegen.

Zunächst passiere ich einen Torbogen. Und befinde mich in einem von Unkraut überwucherten Hof, der natürlich früher kein Hof war. Sondern ein schon erwähnter Speicher mit sechs Geschossen. Jetzt stehen nur noch die Grundmauern, gegliedert durch die Segmentbogenfenster. Jede Fensterreihe markiert eine Etage. Dass Dach und Einbauten fehlen, ist die Folge von zwei Großbränden. Die zerstörten in den 90er Jahren die verlassene Böllberger Mühle. Trotzdem bietet sich mir ein interessanter Anblick.

Strom beim Bagger

Efeu hat sich im Mauerwerk festgekrallt und strebt nach oben. Wuchernder Knöterich ebenso. Linkerhand blieb das Treppenhaus erhalten. Überall an den Wänden ringsum ragen rostige Eisenträger aus dem Mauerwerk. Gebogene Rohre sind zu sehen, deren einstigen Zweck ich nicht kenne.

Ich weiß auch nicht, ob ich mich jetzt getäuscht habe. Aber winkt da nicht grad jemand aus dem oberen Fenster des maroden Treppenhauses? Etwas mulmig ist mir schon. Wenig später reicht mir ein junger Mann die Hand. Auch ein Urbexer. Er hat einen Tip für mich. Die Umzäunung am Wasserturm, wo der Bagger steht, soll ich mal nicht anfassen. Im Drahtzaun fließt Strom. Die Erfahrung hat er kürzlich gemacht. Okay, aber ich muss das nachher nicht haben.

Die verlassene Böllberger Mühle
Tor in die verlassene Böllberger Mühle

Mahlsteine an der Wand

Ein Eisenaufbau hinterm Treppenhausturm reicht etwa drei Geschosse hoch. Er verbindet drei der hohen Grundmauern. Durchs rostige Gewirr bahne ich mir einen Weg in den hinteren Teil des Speichers. Morsche Balken, die auf den Eisenträgern aufliegen, bilden eine Art Dach. An den mit Graffiti besprühten Wänden lehnen Mahlsteine. Sie sind sehr groß und wahrscheinlich auch ziemlich schwer. Möglicherweise wären sie sonst schon längst weggeschleppt worden. Die Leute können halt alles gebrauchen. 32 Mahlgänge, hörte ich mal, hatte die Hildebrandsche Mühle, die zum Ende mehr als 100 Personen beschäftigte.

Mühlsteine lehnen an einer Wand in der verlassenen Böllberger Mühle

Blutrote Blumenvase

Das prägnanteste Bauwerk der Mühle in Böllberg ist der weithin sichtbare Wasserturm. Aus Ziegelsteinen akkurat gemauert wächst er 38 Meter in die Höhe. Und wird eingebettet durch ein Gebäudeensemble. Errichtet wurde der Turm, der mich irgendwie an einen Bergfried erinnert, in den Jahren 1875 und 1876. Auch hier sind die wenigen Fenster nur Attrappen. Der obere Teil ist wie auch der Speicher mit einer Art Zinnen geschmückt. Im Rechteck dazwischen hat ein Baum Wurzeln geschlagen. Das Ganze sieht von unten aus wie eine blutrote Blumenvase, aus der das Grün lugt.

Verlassene Böllberger Mühle - nur noch die Grundmauern stehen
Verlassene Bllberger Mühle - Turm mit Baum

Ein Sowjetstern leuchtet

Die verlassene Böllberger Mühle ist nicht nur ein Magnet für Urbexer. Vor einigen Jahren diente sie auch als Kulisse für den Kurzfilm „Irgendwer“. Einige Szenen des Nachkriegsstreifens entstanden hier. Hinterlassenschaften der Dreharbeiten sind noch an einigen Gebäuden zu finden. So leuchtet über einem Hauseingang ein Sowjetstern. Aufschriften in Kyrillisch entdecke ich.

Im Innern der Verwaltungsgebäude gibt es nichts Außergewöhnliches zu sehen. Die Zimmer sind – wie es bei einem seit fast fünf Jahrzehnten leer stehenden Objekt nicht anders zu erwarten ist – überaus marode. Mitunter sind Fußböden weggebrochen. Schutt und Balken sind nachgerutscht. Graffiti machen die Wände auch nicht schöner. Die Fabrikantenvilla befindet sich ebenfalls in einem beklagenswerten Zustand. Durch das ramponierte Verandadach sind der Himmel und Bäume zu sehen.

Verlassene Böllberger Mühle - nur noch die Grundmauern des Verwaltungsgebäudes stehen
Kaputtes Wellblechdach der Veranda

Idylle am Fluss

Idyllisch sieht es aus, dieses kleine ziegelrote Gebäude mit dem hohen Schornstein. Dabei ist es nur das ehemalige Maschinenhaus. Auf der Saaleinsel spiegelt es sich auf der glatten Wasseroberfläche. Nur ein paar Meter weiter kommt der Fluss in Bewegung. Dafür sorgt ein Wehr. Das Wasser rauscht und bildet weißen Schaum. Mit diesem Bild verabschiedet sich die verlassene Böllberger Mühle. Auf deren Gelände wird bald ein Wohngebiet entstehen. „Am Mühlwerder“ soll es mal heißen.

Verlassene Böllberger Mühle an der Saale in Halle
Das Wehr an der verlassenen Böllberger Mühle

Weitere verlassene Orte

Vielleicht interessiert dich auch mein Exkurs in die Spritfabrik oder in die Freyberg Brauerei. Beide Objekte sind in Halle zu finden. Im Nachbar-Bundesland Sachsen gefielen mir die verlassene Sternburg Brauerei in Lützschena, das Stadtbad Leipzig sowie die Lost Places in Görlitz. In angenehmer Erinnerung bleibt mir auch das Schloss Vitzenburg bei Querfurt/Sachsen-Anhalt. Die vor einiger Zeit noch verlassene Brauerei in Böllberg, einem Stadtteil von Halle, wird gerade umgewidmet zur Wohnanlage. Pläne gab es auch für den maroden Schlachthof in Halle einige. Doch drei Jahrzehnte nach seiner Schließung ist er noch immer eine Industriebrache.