Beim Bummeln durch Miltenberg trifft man in der mittelalterlichen Altstadt auf sehenswerte Fachwerkhäuser, eine der ältesten Gasthäuser Deutschlands und auf eine stolze Burg. Die beherbergt heute nicht nur ein Museum, sondern von hier oben hat man einen herrlichen Blick über die romantischen Gassen der unterfränkischen Stadt und auf den vorbeifließenden Main.
Nacktes Trio an den Fenstern
Das muss man einfach gesehen haben! Beim Bummeln durch Miltenberg springt mir das eingeschossige Haus sofort ins Auge. Reichlich Klimbim steht an der Hauswand. Geweihe schmücken die Fassade. Aber der Knaller sind die drei Fenster im ersten Stock. Hinter den Scheiben nämlich zeigt ein Frauen-Trio ungeniert seine üppigen Rundungen. Die freizügigen Grazien hinter den Schau-Fenstern sind nackt, allerdings nicht aus Fleisch und Blut. Geschaffen hat die erotischen Bilder Maler Guntram. Und der arbeitet gerade eine Etage tiefer am nächsten Bild. Die Tür zu „Guntrams Malerarche“ steht sperrangelweit offen und gibt den Blick frei auf noch mehr Erotisches an den Wänden ringsum. Inmitten all der Busenwunder sitzt der Künstler.
Plauderei mit Maler Guntram
Mein Nähertreten bleibt nicht unbemerkt. Sofort schlägt Wotan, der zehnjährige Schäferhund, kurz an. So ist mir die Aufmerksamkeit des Malers schon mal sicher und ich kann ihn in eine Plauderei verwickeln. Die Palette auf dem linken Arm, den Pinsel in der rechten Hand erzählt Maler Guntram, dass er sich vor 20 Jahren in Miltenberg niedergelassen hat. Nicht jedem Einwohner der lauschigen Kreisstadt gefällt das, was der Zugezogene im „Tempel der göttlichen Weiblichkeit“ malt. Aber Guntram stört das nicht die Bohne. Ihm gefällt dafür die tolle Gegend. Denn die lädt zu ausgiebigen Wanderungen ein. Natürlich mit Wotan, der inzwischen weiter hinten im Atelier ein Schläfchen macht.
Miltenberg liegt an der Deutschen Fachwerkstraße. Die zieht sich 3.900 Kilometer von Nord nach Süd und verbindet viele sehenswerte Städte. Dass Miltenbergs Altstadt mit ihrem Fachwerk ein Highlight auf der Route ist, scheint sich in Touristenkreisen längst rumgesprochen zu haben. Und aufs Stichwort rücken gleich mehrere Reisegruppen an. Die stellen sich vor „Guntrams Malerarche“ in der Hauptstraße auf und machen große Augen. Für mich Zeit, mein Bummeln durch Miltenberg fortzusetzen.
Brücke ins Mittelalter
Das Bummeln durch Miltenberg hat für mich am anderen Ufer des Main begonnen. Dort nämlich liegt der Bahnhof der unterfränkischen Stadt. Der etwa 15-minütige Weg in die Altstadt führt mich über die mehr als 200 Meter lange Mainbrücke. Von hier habe ich einen guten Blick auf den breiten Fluss mit seinen drei Anlegestellen für Touristenschiffe am gegenüberliegenden Ufer. Von dort grüßt mich auch schon die in viel Grün eingehüllte Silhouette der Altstadt. Die beiden Türme der Jakobuskirche ragen aus dem Häusermeer heraus. Und rechts davon, ein Stück höher gelegen, thront die Mildenburg mit ihrem Bergfried. Doch bevor ich eintauche in die Fachwerkstadt an der Grenze von Bayern und Hessen passiere ich noch das wuchtige Brückentor.
Romantik pur am Main-Knie
Hinter dem Brückentor laufe ich ein Stück die Ziegelgasse hinauf und biege dann rechterhand ein in eine Fußgängerzone. Und befinde mich schon auf der ziemlich langen Hauptstraße Miltenbergs. Von jetzt an schlendere ich durchs Mittelalter, durch ein Städtchen wie aus dem Bilderbuch. Romantik pur am Main-Knie. Fachwerk reiht sich an Fachwerk. Jedes Gebäude, oftmals denkmalgeschützt, ist ein Hingucker. Dass die Häuser mit den mitunter recht schiefen Balken Jahrhunderte auf dem Buckel haben, sieht man ihnen nicht an. Sie sind aufwändig saniert und gut gepflegt. Die Altstadt strahlt in harmonischer Farbigkeit. So nehmen die Touristen bei passablem Wetter gern Platz auf den vielen Freisitzen und genießen Kaffee und Kuchen oder die lokalen Spezialitäten. Auch ich gönne mir erst mal einen Cappuccino. Bevor ich mich weiter verzaubern lasse von dem einzigartigen Fachwerk-Ensemble, eingezwängt zwischen Main und Sandsteinfelsen.
Gasthaus mit langer Tradition
Nur wenige Schritte muss ich gehen, dann stehe ich vor einem der bekanntesten Gebäude von Miltenberg. Es ist das „Hotel zum Riesen“. Wahrscheinlich haben vor mir schon Tausende von Touristen die wunderschön gestaltete Fassade des Renaissancebaus am Schnittpunkt von Hauptstraße und Riesengasse fotografiert. Und auch das grazile Schild mit dem Riesen und dem sechszackigen Braumeister-Stern über dem Hotel-Eingang. Klar, dass auch ich ein paar Aufnahmen mache vom berühmten Haus. Immerhin – so wird vom Verein Kultur Erbe Bayern geworben – ist es das älteste Gasthaus Deutschlands. Hier sollen schon im 12. Jahrhundert betuchte Gäste bewirtet worden sein. Zwar erheben noch zwei andere Einrichtungen in der Bundesrepublik diesen Anspruch, aber ich will mich beim Bummeln durch Miltenberg nicht einmischen in den Streit.
Von Barbarossa bis Elvis
Vielmehr illere ich mal rein ins urgemütliche Foyer der ehemaligen Fürstenherberge. In der – so erfahre ich – stiegen jahrhundertelang Könige, Fürsten sowie geistige und weltliche Promis ab. Eine Bilderwand verrät, wer zu den illustren Herrschaften gehörte. Etwa Barbarossa, Martin Luther und Albrecht Dürer. In späterer Zeit betteten auch Richard Strauss, Hans Albers, Heinz Rühmann und Evis Presley ihr müdes Haupt auf die Kissen im Riesen, der mit dem Umbau 1590 sein jetziges Aussehen erhielt. Heute übrigens werden Hotel und Gasthaus getrennt geführt.
Biere selber brauen
Wesentlich jünger ist die traditionelle Brauhaus Faust. Gegründet wurde das Brau-Unternehmen 1654 und hieß damals Löwenbrauerei. Ein Transparent, quer über die schmale Hauptstraße im Schwarzviertel gespannt, klärt mich auf, dass ich gerade vor der „besten Brauerei Deutschlands 2024“ stehe. Erlebnisführungen durch das Gebäude und den Brauereikeller werden angeboten. Daneben kann man Biere verkosten oder selber brauen. Aber das ist dann wohl eher was für Touristen, die in Miltenberg übernachten. Die Tagesausflügler können Bier-Geschenke für die Lieben daheim oder für sich selbst im Brauerei-Laden kaufen.
Lichtmangel im Schwarzviertel
Noch ein paar Sätze zum Schwarzviertel. Das sollte man beim Bummeln durch Miltenberg nicht außen vor lassen. Denn auch hier bekommt man wirklich schöne Fachwerkhäuser zu Gesicht. Und/oder man kann in urige Restaurants einkehren. Das Viertel ist der älteste Teil der Stadt. Man erreicht es, wenn man vom Markt aus die Hauptstraße einfach weiter geht. Als Namensgeber für den Stadtteil gilt der Lichtmangel, für den der benachbarte Greinsberg verantwortlich ist. In den Wintermonaten wirft er nämlich so viel Schatten, dass die Sonnenstrahlen kaum den Weg runter auf die enge Kopfsteinpflaster-Straße finden.
Tolles Postkartenmotiv
Das Postkartenmotiv schlechthin finde ich beim Bummeln durch Miltenberg auf dem Markt. Der ist wirklich das Highlight der Altstadt. Nicht, weil er ein ziemlich starkes Gefälle aufweist und so für eine außergewöhnliche Optik sorgt. Vielmehr sind es die wohl schönsten Fachwerkhäuser der unterfränkischen Stadt, die sich hier stolz aneinander schmiegen. Und die den gepflasterten Platz umgeben. Das markanteste Gebäude auf der schiefen Ebene mit Abwasserrrinne ist ein Hotel. Zu Recht trägt es den Namen „Hotel Schmuckkästchen“, denn es ist wirklich eine Augenweide. Zudem überragt die familengeführte Herberge in Rot/Weiß mit dem über zwei Etagen reichenden üppigen Rund-Erker alle anderen Häuser auf dem Markt.
Wer sich umwendet, dem fällt das schmucke Fachwerk gegenüber auf. Vor allem die reich verzierten Renaissance-Erker stechen ins Auge. Das Betreten des denkmalgeschützten Gebäudes ist ausdrücklich erwünscht. Denn „Haus Miltenberg“ beherbergt ein Museum. Für einen Besuch fehlt mir allerdings die Zeit. Dafür schaue ich kurz rein in die katholische Pfarrkirche St. Jakobus mit den beiden klassizistischen Türmen direkt am Markt. Danach zieht es mich hoch zur Mildenburg.
Wasser aus Steinmündern
Aber zuvor buhlt noch der Sandstein-Brunnen mitten auf dem Markt um meine Aufmerksamkeit. Er wurde im 16. Jahrhundert hier installiert und trägt in der warmen Jahreszeit bunten Blumenschmuck. Auf Touristen wirkt er wie ein Magnet. Sie lassen sich gern auf den Stufen des Wasserspenders nieder, hören der Straßenmusik zu und schlecken ihr Eis, das sie sich vor dem Eiscafé Cortina gekauft haben. Auch ich verweile kurz am Brunnen und schaue zu, wie das Wasser aus den Steinmündern ins sechseckige Becken plätschert. Dann heißt es: weiter Bummeln durch Miltenberg.
Hinauf zur Mildenburg
Höhepunkt beim Bummeln durch Miltenberg ist für mich der Aufstieg zur Mildenburg. Und das im wahrsten Wortsinne. Denn die Burg aus dem 12. Jahrhundert thront über den Dächern der mittelalterlichen Stadt. Das lässt vermuten, dass der Weg hinauf zum Wahrzeichen der Stadt beschwerlich ist. Und lang. Ist er aber nicht. Hinter dem Renaissancebogen linkerhand vom „Hotel Schmuckkästchen“ beginnt der gepflasterte Treppenaufgang. Nach wenigen Minuten empfängt mich die einst von Mainzer Erzbischöfen erbauten Höhenburg in strahlendem Weiß.
Toller Altstadt-Blick
Das sanierte Gebäude auf einem Vorsprung des Greinsbergs beherbergt seit über einem Jahrzehnt ein weiteres Museum der Stadt. Präsentiert werden hier unter anderem Ikonen und zeitgenössische Kunstwerke. Den 27 Meter hohen Bergfried kann man nicht besteigen. Aber auch so habe ich einen tollen Blick auf die Altstadt, die Bogenbrücke und den Main, an dessem Ufer Touristenschiffe festgemacht haben. Ihre Passagiere sind wie ich grad beim Bummeln durch Miltenberg.
Drei freche Pinkler
Was mir noch so beim Bummeln durch Miltenberg ins Auge gefallen ist: schönes Fachwerk ohne Ende sowie nahe der Schiffsanlegestelle der Staffelbrunserbrunnen. Drei freche Pinkler aus Bronze urinieren in ein Becken. Ein Beispiel am schamlosen Trio muss man sich jetzt aber nicht nehmen. Schließlich gibt es nebenan eine öffentliche Toilette
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