Besuch in der Abtei Fontevraud - durch einen Rahmen betrachtet

Nicht mal zehn Kilometer von der Loire entfernt liegt das größte klösterliche Gebäude Europas. Beim Besuch in der Abtei Fontevraud tauchen die Gäste ein in die Geschichte der französischen und englischen Königshäuser. Herzstück des Klosters ist die Abteikirche. Dort sind Richard Löwenherz und seine Mutter Eleonore von Aquitanien beigesetzt. Auf meiner einwöchigen Tour durchs Loire-Tal besuchte ich neben Fontevraud auch Schlösser und Burgen.

Das Rosendorf

Rosen, wohin ich blicke. Sie ranken an Hauswänden empor. Schmücken uralte Mauern. Bezaubern in Blumenkästen. Es ist ein Blühen in Rosa und Rot, Gelb und Orange. Und in Schneeweiß. Eine Pracht. Ich bin begeistert. Doch so lauschig das Rosendörfchen Fontevraud-lAbbaye auch anzusehen ist, ich habe anderes im Sinn. Mich zieht es zu einem Torbau. Dahinter verbirgt sich ein Kleinod. Es ist die königliche Abtei Fontevraud, die sich auf 14 Hektar zwischen den Städten Saumur und Chinon streckt. 1101 gegründet, gilt sie als umfangreichster mittelalterlicher Klosterkomplex Frankreichs. Also dann mal los. Erwartungsfroh durchschreite ich die schmale Pforte.

vor dem Besuch in der Abtei Fontevraud läuft man durch ein Rosenmeer

Europas größter Klosterkomplex

Erst mal bin ich enttäuscht vom Anblick, der sich mir vom höher gelegenen Weg bietet. Ein paar Treppenstufen tiefer grüßt reichlich bescheiden ein Sakralbau herauf. Bananengelb mit zwei schlanken Turmaufbauten. Rechts, etwas vorgesetzt, ein schlichter Anbau mit grünen Fensterläden. Das also soll er sein, Europas größter und besterhaltener Klosterkomplex. Ganz schön mickrig, dieses Weltkulturerbe, denke ich. Doch mein Eindruck täuscht, wie ich bald feststellen werde. Das Kloster ist nämlich eine Klosterstadt. Und genauso interessant wie die Schlösser Chambord, Chaumont, Chenonceau, Amboise, Villandry und Rivau. Die herrschaftlichen Anwesen besuchte ich bereits während meiner Tour entlang der Loire.

Besuch in der Abtei Fontevraud

Langhaus mit vier Kuppeln

Kaum habe ich das Rundbogen-Portal durchschritten, empfängt mich das imposante Langhaus der Abteikirche. Sie gilt als eine der schönsten romanischen Sakralbauten des Anjou. Da mir der Vergleich mit anderen Kirchen in der Region fehlt, kann ich lediglich sagen: Mir imponiert, was ich hier sehe.

Das von vier Kuppeln überwölbte Langhaus macht seinem Namen alle Ehre. Man hat schon ein Stück zu laufen, bis man beim Chorraum angelangt ist. Den Weg dorthin flankieren Blendarkaden. Sie gliedern nicht nur die Wände. Sie lassen sie auch plastisch erscheinen. Aufs Mauerwerk projiziertes farbiges Licht soll offensichtlich zusätzlich für Lebendigkeit sorgen. Was mir aber nicht sonderlich gefällt. Dafür umso mehr, dass das Kirchenschiff so hell wirkt. Kurz bevor es zum Chor hochgeht, stoße ich auf die berühmte Grablege des französischstämmigen Herrscherhauses Plantagenet. Schon wegen dieser Sarkophage lohnt ein Besuch in der Abtei Fontevraud.

Richard Löwenherz ruht hier

Unterm hohen Gewölbe ruhen vier lebensgroße farbige Nachbildungen der Toten auf drapierten Paradebetten. Ich sehe Elenore von Aquitanien, Königin von Frankreich und später von England. Ein aufgeschlagenes Buch haltend liegt sie neben ihrem ungeliebten Gemahl Heinrich II. Plantagenet. Der König von England war Eleonores zweiter Ehemann und Vater von Richard Löwenherz. Auch der fand in Fontevraud seine letzte Ruhestätte. Und zwar zu Füßen des Vaters. Mit dem soll Sohnemann in ständigem Zwist gelebt haben. Neben König Löwenherz sehe ich eine vierte Figur in blauem Gewand. Es ist Isabella von Angouleme, eine Königsgemahlin. Die Liegefigur ist aus Holz geschnitzt. Die der anderen drei wirklichkeitsgetreuen Grabplastiken bestehen aus Tuffstein.

Besuch in der Abtei Fontevraud mit der mächtigen Langhalle

Asketischer Chorraum

Ein paar Stufen steige ich hoch und bin im Chorraum. Der wirkt auf mich ziemlich asketisch. Meine Augen finden nirgends Halt. Es gibt nichts Außergewöhnliches zu schauen. Also wende ich mich nach rechts. Dort stoße ich auf eine deutsche Reisegruppe. Deren Guide gibt grad einen geschichtlichen Abriss. Ich höre zu. Und erfahre, dass unter dem Schutz des Hauses Plantagenet das Kloster florierte.

Vor der französischen Revolution galt Fontevraud als das reichste Frauenkloster Frankreichs. Da gab´s für Napoleons Truppen offensichtlich was zu holen. In den Wirren der Revolution wurde hier geplündert, zerstört und in Brand gesteckt. Einige Nonnen sollen sogar ihr Leben unter der Guillotine verloren haben. Zum traurigen Kapitel von Fontevraud gehört auch, dass Napoleon 1804 die königliche Abtei zum Gefängnis umwandeln ließ. Es muss wohl all die Jahre ein schaurig-berüchtigter Ort gewesen sein. Noch bis 1963 verbüßten hier Gefangene ihre Strafen. Seit der umfangreichen Sanierung ist das Kloster heute ein Besuchermagnet.

Beratung unterm Baldachin

Ein Stück laufe ich mit der Gruppe noch mit. Dann trennen sich unsere Wege. Mich zieht ein reich verziertes Renaissance-Portal an. Das ist wirklich eine Augenweide. Durch das Portal gelange ich in den Kapitelsaal im Erdgeschoss. Er ist zweischiffig und bietet viel zum Bewundern unter den Rippengewölben. Beispielsweise wunderschöne Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert. Oder schachbrettartig gestaltete Böden. Ich stelle mir vor, wie die jeweilige Äbtissin sich mit ihrem Konvent in den baldachinartigen Gewölben versammelt hat. Übrigens: Alle 36 Äbtissinnen des Klosters sollen adliger Abstammung gewesen sein. Darunter waren auch 14 Prinzessinnen.

Kreuzgang und roter Saal

Das dekorative Rippengewölbe begegnet mir wenig später auch im Refektorium. 60 Meter streckt sich der Raum. Schade nur, dass der ehemalige Speisesaal ohne Möbel ist. Aber wozu hat man Phantasie? Die brauche ich allerdings nicht zu bemühen, als ich wenig später durch den Kreuzgang laufe. Was für ein herrlicher Anblick! Was für tolle Fotomotive! Übrigens lohnt auch ein Blick in den schummrig rot ausgeleuchteten Raum über dem Kapitelsaal.

Besuch in der Abtei Fontevraud faszinieren auch die Kreuzgängen

Beim Aufstieg in den ersten Stock kann man den Kreuzgang aus einer anderen Perspektive fotografieren.

Beim Besuch in der Abtei Fontevraud kann man auch aus unterschiedlichen Positionen den Kreuzgang fotografieren

Klosterstadt von oben

Wie groß die königliche Abtei wirklich ist, sehe ich jetzt. Ich bin eine grasbewachsene Anhöhe hochgestiegen. Von hier oben habe ich einen guten Blick auf die Klosterstadt. Links streckt sich das Siechenhaus Saint-Benoit. In diesem Trakt waren alte und kranke Nonnen untergebracht. Hinter diesem Komplex befindet sich – von meinem Standort nicht sichtbar – das Priorat Saint-Lazare. Aussätzige lebten hier. Von den übrigen Klosterbewohnern durch eine hohe Mauer getrennt. Heute kann an diesem Ort der Tourist seinen Besuch in der Abtei Fontevraud verlängern und im exklusiven Design-Hotel übernachten. Für das leibliche Wohl sorgt ein Gourmet-Restaurant.

Zu einem Besuch in der Abtei Fontevraud
Blick auf eine blumenbewachsene Mauer

Glocken an dicken Balken

Mein Besuch in der Abtei Fontevraud geht zu Ende. Auf dem Weg zum Ausgang treffe ich in Chornähe noch auf eine Ansammlung von Bronzeglocken. Sie sind mit dicken Seilen an knallrot gestrichenen Balken festgemacht. Eine Katze schleicht über den Schachbrettboden, um dann im Gebüsch zu verschwinden. Ich verschwinde jetzt auch.

Besuch in der Abtei Fontevraud - Glocken hängen in einer Reihe
Glocke mit hölzerner Aufhängung
Bronzeglocken beim Besuch in der Abtei Fontevraud entdeckt

Reiseinformationen:

Wie an einer Perlenschnur aufgereiht – die Schlösser der Loire. Als Einstieg von Paris aus kommend besuchte ich am ersten Tag meiner sechstägigen Schlösser-Tour Chambord und Cheverny. Am zweiten Tag knöpfte ich mir gleich drei Stationen vor: Chenonceau, Chaumont und Amboise. Von meinem Hotel in Amboise zog es mich am dritten Tag nach Villandry, Azay-le-Rideau und Tours. Den vierten Tag hatte ich für die Besichtigung von Burg Sully und Kloster St. Benoit reserviert. Tag fünf schaute ich mir Chinon und Rivau und nahm mir Zeit für einen Besuch in der Abtei Fontevraud an. Den Höhepunkt meiner Reise bildete am letzten Tag eine Visite im königlichen Blois. 

Da es an Schlössern und Burgen und hübschen Städtchen im Loire-Gebiet nun wirklich nicht mangelt, kann man sich die Liste der zu besuchenden Sehenswürdigkeiten nach Gusto selbst zusammenstellen. Wer sich lieber auf professionelle Unterstützung verlassen will und gern in der Gruppe unterwegs ist, der findet bei den verschiedensten Reiseanbietern Pauschalreisen zu den schönsten Loire-Schlössern.

Grafik von Fontevraud