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Alte Papierfabrik in Halle

Blick an der alten Papierfabrik in Kröllwitz vorbei auf die Saale

Viele Jahre war die alte Papierfabrik in Halle eine beliebte Adresse für Urbexer. Auch Graffiti-Fans nutzten die betagten Backsteinbauten gern als Leinwände. Jetzt wurde das zwei Hektar große Gelände im Stadtteil Kröllwitz zur exklusiven Wohnanlage umgewidmet. Erinnerungen an eine Jahre zurückliegende Exkursion, als die Fabrik am Ufer der Saale noch ein Lost Place war.

Frau im roten Kleid

Ist da jemand? Oder habe ich mich getäuscht? Ich meine, ich hätte eben eine Bewegung gesehen. Dort oben, in der großen Maueröffnung des zugewucherten Gebäudes. Grad als ich weitergehen will, sehe ich sie – die Frau mit raspelkurzem Blondschopf. Ein knallrotes Kleid trägt sie, das fast bis zum Boden reicht. Die Frau winkt mir von oben zu. Ich winke zurück und frage, ob sie kurz mal stehen bleiben kann für ein Foto. Macht sie und gleich darauf ist sie auch schon wieder verschwunden im Dunkel des maroden Gebäudes. Wahrscheinlich, so vermute ich, ist sie mit einem Fotografen zu Aufnahmen hier. Denn die alte Papierfabrik in Halle ist eine gut frequentierte Adresse für Fotografen und Urbexer. Und natürlich auch für Graffiti-Jünger, die die Backsteingebäude als große Leinwand für ihre bunten Bilder nutzen. Auch Paintball-Spieler sollen in der Industriebrache direkt am Saaleufer mit ihren Farbkapseln rumballern. Doch hoffentlich nicht grad jetzt.

Frau im roten Kleid an einer Maueröffnung in der alten Papierfabrik in Halle

Bunte Visitenkarten

Etwas abseits der Straße liegt sie, die alte Papierfabrik in Halle. Versteckt in wild wucherndem Gestrüpp. So, als würde sie sich für ihr heruntergekommenes Aussehen schämen. Graffiti-Jünger haben auf dem Weg zu den maroden Gebäuden am Saaleufer ihre Visitenkarten hinterlassen. Knallbunt angemalte Mauerreste leuchten mir aus dem Dickicht entgegen.

Schilder lehnen an einem Gebäude der alten Papierfabrik in Halle

Großer Bedarf an Papier

Kleiner Exkurs in die Firmengeschichte: 1714 begann im halleschen Stadtteil Kröllwitz der Bau der Papiermühle. Das erste Papier wurde zwei Jahre später geschöpft. Genau in dem Jahr, als der wenig an Kunst interessierte Preußen-König Friedrich Wilhelm I. das legendäre Bernsteinzimmer tauschte und dafür von Zar Peter I. groß gewachsene Soldaten erhielt. Dieser Tauschhandel interessierte die Papierproduzenten in Halle eher weniger. Denn die eigenen Geschäfte liefen grad gut. Papier, zunächst hergestellt aus Lumpen, war allerorten begehrt. Auch die Druckerei der Franckeschen Stiftungen in Halle hatte großen Bedarf. So kaufte denn August Hermann Francke 1725 die Papiermühle. 6.500 Taler soll der Gründer des halleschen Waisenhauses dafür auf den Tisch gelegt haben.

Gestank aus sechs Schloten

Schäden durch Hochwasser sowie ein verheerender Brand im Jahr 1823 konnten den Ausbau der Papiermühle zur leistungsstarken Papierfabrik nicht aufhalten. Bald qualmten sechs Schornsteine am Saaleufer. Und genau das sorgte bei den Anwohnern alsbald für Ärger. Denn durch den Einsatz des Sulfatverfahrens kam es zu enormer Luftverschmutzung und Gestank. Ständige Beschwerden waren die Folge. 1940 wurde die alte Papierfabrik in Halle dann geschlossen. 224 Jahren Papierherstellung unter Regie der Unternehmerfamilie Keferstein waren damit Geschichte. Zwar sollte bis auf zwei Gebäude alles auf dem Areal abgerissen werden, doch im II. Weltkrieg hatte man andere Sorgen. Nach 1945 nutzten dann hallesche Firmen die Backsteingebäude als Lager. Als diese später geräumt wurden, kamen die ersten Urbexer zum Gucken.

Gemütlich mit Sofa

Auch ich will noch mal gucken, bevor das zwei Hektar große Areal am Wehr zur exklusiven Wohnanlage umgebaut wird. Logisch, dass 80 Jahre nach Betriebsstilllegung nichts mehr da ist an Maschinen und Anlagen. Die Gebäude sind längst entkernt. Ein paar Rohre und Leitungen ziehen sich noch an den Decken entlang. Vor den scheibenlosen Fenstern grüßt sattgrün dichtes Gestrüpp. Bunte Graffiti beleben überall die tristen Wände. Einige Besucher scheinen es sich hier gemütlich gemacht zu haben. In einigen Räumen entdecke ich Sofas. Und auch so eine Art Kanonenofen mit abenteuerlichem Abzug in der Mitte eines großen Raumes. Die Fenster hier sind sehr groß. Sie lassen viel Licht rein. Und auch das laute Rauschen des Wehres. Dafür ist die Aussicht auf das gegenüberliegende Ufer grandios. Von hier zu sehen ist auch die Forstwerderbrücke. Die Hallenser nennen sie wegen ihrer nach oben gebogenen Form Katzenbuckelbrücke.

Blick in einen vermüllten langen Raum in der alten Papierfabrik in Halle

Farbklekse ohne Leuchtkraft

Zum Schluss noch ein Blick in den Keller der alten Papierfabrik in Halle. Hier hat so manches Mal das Hochwasser gestanden. Jetzt aber scheint alles trocken zu sein. Und ziemlich düster ist es. Ein gute Kulisse für einen Thriller, kommt mir der Gedanke. Bunte Farbkleckse und Graffiti auch hier. Allerdings verschluckt das Halbdunkel ihre Leuchtkraft.

Offen stehende Türen im Kellergeschoss

Vielleicht interessiert dich auch meine Exkursion in den Schlachthof, in die Spritfabrik, in die Böllberger Mühle, in die Böllberger Brauerei oder in die Freyberg Brauerei. Alle diese Objekte sind in Halle zu finden. Die beiden Brauereien wurden inzwischen zu Wohnanlagen umgewidmet, ebenso wie die hier vorgestellte Kröllwitzer Papierfabrik. Im Nachbar-Bundesland Sachsen gefielen mir die verlassene Sternburg Brauerei in Lützschena, das Stadtbad Leipzig sowie die Lost Places in Görlitz. In angenehmer Erinnerung bleibt mir auch das Schloss Vitzenburg bei Querfurt/Sachsen-Anhalt.

2 Kommentare

  1. manni

    super und auch bunt durch die Graffiti Sprayer. Gefällt mir sehr gut

    • Elke Richter

      Die Graffitis machen die Räume bunt und irgendwie fröhlich. Inzwischen ist auf dem Gelände eine Wohnanlage entstanden.

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