Auf der Bahnstrecke zwischen Halle und Leipzig liegt eine Industriebrache. Die maroden Gebäude sind bei Urbexern beliebt. Bei den denkmalgeschützten Ruinen handelt es sich um die verlassene Brauerei Sternburg in Lützschena.
Kein Halt in Lützschena
Jahrelang bin ich mit dem Zug vorbeigefahren. Auf der Strecke von Halle nach Leipzig. Und retour. Ohne dem Ort Aufmerksamkeit zu schenken, der zwischen beiden Großstädten liegt. Warum auch? Was gab es in Lützschena schon Bemerkenswertes? Wo doch sogar der Zug durchbretterte. Und nur selten am Tag fahrplanmäßig dort hielt. Erst etliche Jahre nach der Wende machte die S-Bahn Halle-Leipzig dann ständig in Lützschena halt. Deshalb wurde ich aufmerksam auf die kleine Ortschaft. Ebenso wie auf die Industrieruinen. Die sich als verlassene Brauerei Sternburg entpuppten.
Zu DDR-Zeiten galt das Unternehmen übrigens als erfolgreiche Brauerei. Seit 1968 zum Getränkekombinat Leipzig gehörend, waren hier zu Hoch-Zeiten rund 500 Mitarbeiter beschäftigt. Ein Großteil kam aus Lützschena. 1989 wurden bei Sternburg immerhin 500.000 Hektoliter Bier gebaut. Bis 1991 das Aus kam für das Traditionsunternehmen.
Markanter Uhrenturm
Zum ersten Mal war Lützschena nun das Ziel meiner Zugfahrt. Vom Bahnhof aus folgte ich einer Asphaltstraße. Sie führte mich in 15 Geh-Minuten direkt zu den gerstensaftgelben Gebäuden des ehemaligen Bierproduzenten. Als markante Punkte im 51.000 Quadratmeter großen Areal registrierte ich die schmutzig-grüne Kuppel des Sudhauses. Und den 24 Meter hohen Uhrenturm des Werkstattgebäudes der verlassenen Brauerei Sternburg.
Eine Halle voll Müll
Das Verwaltungsgebäude konnte ich nach ein paar hastigen Minuten getrost außen vor lassen. Denn hier gab es nichts Interessantes zu sehen. Nur einen Obdachlosen hatte ich aufgeschreckt. Der schien vor mir mehr Angst zu haben als ich vor ihm.
Auch im ehemaligen Werkstattgebäude hielt ich mich nicht ewig auf. Der Anblick in der großen Halle war einfach nur ekelerregend. Überall Müll. Kein Fleckchen auf dem Betonboden gab es, das nicht mit Gerümpel zugestellt war. Mitten im Abfall waren Tische und Stühle aufgestellt. So, als hätte man es sich hier beim Brigadeabend gemütlich gemacht. Sogar Sternburg-Bierflaschen standen auf den Tischen. Allerdings geleert. Fotogen fand ich die darüberliegende Halle mit ihren Säulen sowie dem Stuhl zwischen besprühten Wänden. Auf dem nackten Betonboden war die Natur grad dabei, sich ihr Territorium zurückzuholen. Überall wucherten grasgrüne Flechten.
Firmenlogo auf Deckenlampen
Das Highlight der verlassenen Brauerei Sternburg war zweifellos das Sudhaus. Oder richtiger: das, was von der Produktionsanlage noch übrig geblieben ist. Alte Kessel darf man hier nicht erwarten. Denn die wurden mit der Betriebsschließung vor drei Jahrzehnten so wie vieles andere ab- und ausgebaut. Doch die Öffnungen im Boden waren noch zu sehen. Und ich mussten meine Phantasie nicht übermäßig strapazieren, um mir vorzustellen, welche imposanten Kessel hier einst eingefasst waren. Etwas Vorsicht schien geboten, damit ich nicht im Überschwang des Fotografierens durch eines dieser Löcher ins darunter liegende Geschoss sauste. Beim Blick nach oben entdeckte ich Deckenlampen mit dem Sternburg-Logo. Eine hätte ich gern mitgenommen.
Schöne Aussicht Fehlanzeige
Fenster hatte die verlassene Brauerei Sternburg jede Menge. Die meisten Scheiben waren zerschlagen. Oder mit Farbe besprüht. Was aber so schlimm nicht war. Denn eine schöne Aussicht suchte ich vergebens. Wo man auf dem Gelände hinschaute, überall marode Bausubstanz, Verfall und Zerstörung. Und Zeichen, dass es an einigen Stellen gebrannt hatte.
Aufs Dach gestiegen
Das Dachgeschoss des Werkstattgebäudes sah ziemlich wüst aus. Überall ragten verkohlte Balken in den Blick. Einige spiegelten sich in Regenwasserpfützen. Interessanter war es da schon im Uhrenturm. Vor allem in der Etage, wo man sozusagen hinter den Uhren stehen konnte. Oder besser hinter dem, was von ihnen noch übrig waren. Über eine steile Treppe gelangte ich dann bis nach ganz oben. Dort wurde ich mit einem schönen Ausblick unter freiem Himmel belohnt. Unten leuchteten die roten Dächer von Lützschena. In der Ferne grüßte das Porschewerk.
Vogel mit Wollmütze
Die seit drei Jahrzehnten verlassene Brauerei Sternburg war nicht nur Ziel von Urbexern. Sondern auch von Sprayern. Ihre Spuren entdeckte ich überall. Innen wie auch außen auf den gelben Backstein-Wänden. Da buhlte etwa auf einer Rampe ein Vogel mit Wollmütze um meine Aufmerksamkeit. In einem Stockwerk wurde ich von einem Katzengesicht beobachtet. Die Bond-Schriftzüge im Keller fand ich gut gemacht.
Pferd und Bierdeckel
Ob Spielzeug, Schaltanlagen oder Bierdeckel – der Lost Place bot Foto-Motive zuhauf. Hier weitere Impressionen vom Rundgang durch die verlassene Brauerei Sternburg. Bald sollen auf diesem Areal übrigens 350 Wohnungen entstehen.
Vielleicht interessiert dich auch mein Exkurs in die Spritfabrik oder in die Freyberg Brauerei in Böllberg. Beide Objekte sind in Halle zu finden. Ebenso wie die ehemalige Brauerei Engelhardt in Böllberg . Sie wird gerade zu einer Wohnanlage umgewidmet. Auch die Scheibe A in Halle-Neustadt wurde inzwischen saniert und in ein Bürohochhaus umgewandelt. Im Nachbar-Bundesland Sachsen gefielen mir das Stadtbad Leipzig sowie die Lost Places in Görlitz. In angenehmer Erinnerung bleibt mir auch das Schloss Vitzenburg bei Querfurt/Sachsen-Anhalt.
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