Die Burg Guedelon im Burgund

Einen Blick ins Mittelalter können Besucher auf der experimentellen Archäologie-Baustelle im Wald von Guédelon (Frankreich) tun. Denn hier entsteht eine Burg nach altem Vorbild. In drei Jahren soll die Burg Guédelon fertig sein.

Trip ins Mittelalter

Bereits von weitem grüßt uns auf unserer Burgund-Reise eine mittelalterliche Feste. Es ist die Burg Guédelon. Sie sieht so aus, als hätte sie schon so manche Belagerung mitgemacht. Ist aber nicht so. Das wissen wir. Denn wir hatten mal eine TV-Dokumentation gesehen, in der es um das trutzige Bauwerk in Frankreich ging. Und die spezielle Bauweise.

Weil uns seitdem dieses vermutlich weltweit größte archäologische Experiment interessiert, deshalb sind wir hier, im sieben Hektar großen Waldstück Guédelon im Departement Yonne. Etwa 40 Kilometer südlich von Auxerre.

Unterrichtsstunde auf der Baustelle

Man mag es bei ihrem Anblick kaum glauben, aber die wehrhaft scheinende Burg Guédelon hat erst ein Vierteljahrhundert auf den dicken Mauern. Und genau genommen ist sie, wie das Gelände ringsum, eine riesige Baustelle. Etwa 70 Festangestellte arbeiten hier und viele freiwillige Helfer. Die gern mal ihre Arbeit unterbrechen und die Besucher über die Baustelle führen. So wie jetzt unser Guide, ein unterhaltsamer Holländer, der schon viele Jahre am Projekt mitarbeitet. Öfters auch im Steinbruch, weil diese Arbeit bei den Burgenbauern ziemlich unbeliebt ist, wie er sagt. Wir bekommen während unseres reichlich einstündigen Rundgangs eine kurzweilige Unterrichtsstunde in Architektur, Physik, Mathematik und Geschichte. Und wir sind echt begeistert.

Mit alter Technik gebaut

Erst mal geht es zurück in die Zeit, als die Burg Guédelon nur als Idee im Kopf des Initiators, einem Schlossbesitzer, rumspukte. Er wollte eine mittelalterliche Burg errichten. Was nichts Außergewöhnliches ist, wenn da nicht die Art und Weise des Bauens wäre, erzählt unser Guide. Alles sollte mit den Techniken und Werkzeugen errichtet werden, die auch im 13. Jahrhundert üblich waren. So das Ziel. Und während wir auf einer Anhöhe stehen, zeigt der Guide rüber zur Burg Guédlon und sagt stolz: „Was ihr seht, wurde mit alter Technik errichtet.“

Nichts aus dem Baumarkt

Weder Steine noch Rohre, weder Türen noch Fenster wurden von Firmen angeliefert. Und auch Nägel, Bretter, Werkzeuge stammen nicht aus dem Baumarkt. Alles fertigen die hier Beschäftigten selbst an. Wenig beliebt, wie schon zu erfahren war, ist das Herstellen der Steine. Sie müssen im nahen Steinbruch erst ziemlich kräfteaufwändig gebrochen und dann auf die richtige Größe behauen werden, bevor sie in die Mauern eingepasst werden. Das registrieren wir, bevor wir uns im Innenhof umsehen. „Dort kommt gerade ein LKW mit Steinen“, zeigt der Holländer schmunzelnd zum Tor. Also doch neue Technik. Aber wir sehen nur einen Einspänner, den selbstgebauten Leiterwagen beladen. Doch als mittels einer höhenverstellbaren Vorrichtung die Steine von der Ladefläche purzeln, verstehen wir die Anspielung. Und lachen auch.

Projekt trägt sich selbst

Warum wird eigentlich gerade hier gebaut, will jemand aus der Gruppe wissen. „Was war wichtig im 13. Jahrhundert, um so eine Burg zu errichten?“, stellt unser Guide die Gegenfrage. „Steine, Holz, Wasser … „, zählen wir auf. Und genau das alles gibt es hier, weiß der Allround-Handwerker. Ein stillgelegter Steinbruch, Wald und Wasser. Das Waldstück Guédelon ist also der ideale Ort für dieses außergewöhnliche Archäologie-Projekt. Das zunächst vom Staat und der EU gefördert wurde, sich inzwischen aber selbst trägt – durch Spenden, Eintrittsgelder, Merchandising und durch die Gastronomie auf dem Gelände.

Besteck aus Holz

Apropos Gastronomie: Die gibt es für die Besucher selbstverständlich auch. Beim rustikalen Mittagessen mit Besteck aus Holz schwärmen wir vom Gesehenen. Von dieser tollen Burg mit dem schon hergerichteten Festsaal, von den Handwerkerständen, an denen unter unseren Augen etwa Zimmerleute, Schmiede, Korbflechter und Seiler das benötigte Material fertigten, und von dem terrassenartig angelegten Garten. Auch eine Gänseschar lief uns über den Weg.

1997 wurde der Grundstein für dieses weltweit einzigartige Archäologie-Projekt gelegt. 2023 – so der Plan – soll die Anlage fertig sein. Dann erst zu einer Besichtigung zu starten, ist vielleicht zu spät. Denn am Interessantesten ist es natürlich, den Fortgang der Arbeiten zu beobachten und mit den Bauleuten zu sprechen. Für uns war es ein unvergesslicher Tag auf der Burg Guédelon.