Die einzigartige Tempelstadt Bagan gehört zweifellos zu den Höhepunkten einer Myanmar-Reise. Auf einem 40 Quadratkilometer großen Areal sind mehr als 3000 Tempel, Pagoden und Klöster versammelt. 2019 wurde die ehemalige Königsstadt am Ayeyarwady in die Liste des Unesco-Welterbes aufgenommen.
Schutz im Woll-Kokon
Ich kann mich nicht erinnern. Wann habe ich das letzte Mal nur so gefroren? Muss schon lange her sein. Jedenfalls ist es grad saukalt. Dabei war ich so optimistisch, als ich mit den anderen an Bord des Ausflugsbootes ging. Vielleicht hatte der Reiseleiter am Vorabend doch übertrieben. Er betonte, wir sollten das Wärmste auf der Fahrt anziehen, was wir mithätten. Mein Wintermantel wird die morgendliche Kälte schon abhalten. Dachte ich. Tut er aber nicht. So verkrieche ich mich denn mürrisch bis zur Nasenspitze in die großblumige Flauschdecke. Und muss dann doch schmunzeln. Die anderen Passagiere frieren offensichtlich genauso wie ich. Ringsum sehe ich nur noch bunte Woll-Kokons.
Der Morgen beginnt zu dämmern. Ich bin auf dem Ayeyarwady unterwegs. Von Mandalay in die einzigartige Tempelstadt Bagan. Zehn Stunden wird die Fahrt auf Myanmars Hauptverkehrsader dauern. Weil es sonst grad nichts am Ufer zu sehen gibt, denke ich an die Ausflüge der vergangenen Tage rund um Mandalay zurück. An das größte Buch der Welt in Kuthadow etwa und auch an Mingun mit seinen Sehenswürdigkeiten.
Plötzlich kommt Bewegung an Bord. Kokons platzen auf. Einige Mitfahrer verlassen die wärmende Hülle und greifen zur Kamera. Schließlich ist der Sonnenaufgang ein lohnendes Motiv. Zeit auch für einen heißen Tee. Und einen Snack.
Die Fahrt schleppt sich. Spektakuläres – finde ich – ist nicht zu sehen. Weder am Ufer, noch auf dem Wasser. Ein paar eigenwillig ausgerüstete Boote kann ich hin und wieder ausmachen. Und moderne Brückenkonstruktionen. Sie sind der Beweis, dass Myanmar nicht nur Teakholz- oder Bambusbrücken hat.
Legendäres Schiff
Am Nachmittag gibt es dann doch noch eine bemerkenswerte Begegnung. Grad reden die Mitreisenden über Rudyard Kiplings Gedicht „Road to Mandalay“ und über gleichnamige Bücher und Filme. Und da taucht doch tatsächlich die legendäre „Road to Mandalay“ auf. Zufälle gibt es! Ich recke den Hals. Am Oberdeck des schicken Luxus-Kreuzfahrschiffes ist wenig Betrieb. Ich winke mal freundlich rüber. Niemand winkt zurück. Na, trotzdem gute Fahrt. Für mich geht die Reise auf Myanmars breiter Wasserstraße bald zu Ende. Der Abend naht. Und aus der Ferne grüßt schon die einzigartige Tempelstadt Bagan mit einem phantastischen Sonnenuntergang. Beim Näherkommen sehe ich immer mehr Tempel, die ihre Spitzen in den glutroten Himmel stecken. Die Flauschdecken liegen längst achtlos überall rum. Denn es ist angenehm warm.
Ziegelbau mit Terrassen
Wenn man die Zahl hört, ist man erst mal erschlagen. Mehr als 3000 Tempel, Pagoden und Klöster hat Bagan auf einer Fläche von 40 Quadratkilometern zu bieten. Wo soll man da um Gottes Willen bloß anfangen? Wenn klar ist, dass man in kurzer Zeit sowieso nur einen winzigen Bruchteil sehen wird, dann kann die Auswahl beginnen. Erfahrungsgemäß sucht man nach den Sahnestückchen. Etwa wo der größte Tempel steht oder der längste Buddha liegt. Und natürlich, welches die prächtigste Pagode ist. Letzte Frage entscheidet sich ziemlich schnell. Die Shwezigon Pagode muss ich unbedingt sehen. Die hebe ich mir aber bis zum Schluss des mehrtägigen Aufenthalts in der Tempelstadt Bagan auf. Ihre kleine Zwillingsschwester habe ich ja schon in Mandalay besichtigt.
So führt mich meine Entdeckungstour in der kargen Savannenlandschaft als erstes zum wuchtigsten aber längst nicht höchsten Tempel der alten Königstadt. Das ist der Dhammayangyi Tempel. Irgendwie erinnert mich der perfekt aufgeschichtete Ziegelbau mit den oberhalb abgeschrägten fünf Terrassen an eine gewaltige Pyramide. Beim Umrunden stelle ich fest: Das buddhistische Monument hat an seinen vier Seiten, ausgerichtet nach den Himmelsrichtungen, jeweils eine vorgelagerte Eingangshalle.
Lächelndes Buddha-Duo
Weil ich grad an der Westseite stehe, beginne ich hier meine Besichtigung. Neugierig steuere ich direkt auf einen großen Buddha zu. Von weitem scheint es, als wolle der gute Mann am Eingang mir den Zutritt verwehren. Na, das schafft er nicht! Im Innern, das von zwei Korridoren durchzogen wird, stoße ich in der Vorhalle auf etwas, das ich so noch nirgends gesehen haben. Seite an Seite sitzen da zwei gleich große Buddhas mit goldenen Häuptern. Das Zwillingspaar mit dem goldigen Lächeln scheint fast den gesamten Raum auszufüllen. Grad sind zahlreiche Besucher hier, sodass wir uns aneinander vorbei quetschen müssen. Denn ich will unbedingt mal dorthin, wo die alle herkommen. Hinter den steinernen Sitz des Buddha-Duos. Dort hat sich ein steinerner Kollege der Beiden in einer Nische langgestreckt. Zum Sterben, wie ich erfahre. Na, da will ich nicht weiter stören. Ich gehe wieder nach vorn zu dem freundlichen Doppel und siehe da: Die Luft ist rein. So gelingt mir doch noch ein Foto ohne Pilger. Und ohne Touristen.
Liegender Lulatsch
Weil ich vorhin vom liegenden Buddha sprach, den gibt es wirklich. Die einzigartige Tempelstadt Bagan beherbergt einen – natürlich in XXL. Besichtigen kann man den über 20 Meter langen Ruhenden in einer Halle an der Rückseite des Manuha Tempels im Süden von Bagan-Myinkaba. Der Buddha mit den knallroten Lippen und den stattlichen Ohren füllt fast den gesamten Raum aus. Schlankmachen gilt also auch hier, wenn man sich auf schmalem Weg von den Füßen – die Zehen sehen echt komisch aus – bis zum Kopf des langen Lulatschs vorarbeitet. Auch sonst ist es im Tempel überaus eng. Das liegt daran, dass man große Buddhas in die Räume gequetscht hat. Für den Besucher scheint kaum Platz. Für Tauben schon. Einige trippeln grad ohne Ehrfurcht einem dicken Gold-Buddha über Schulter und Hände.
Rind im Porzellanladen
Nach so viel Enge brauche ich erst mal ordentlich Platz. Also mache ich eine Tempel-Pause. Mit dem Taxi fahre ich zum Markt in den älteren Teil Bagans. Der erstreckt sich über ein großes Areal. Und dieser Handelsplatz unter freiem Himmel ist schon faszinierend. Vor allem der „Porzellanladen“ hat es mir angetan. Zwischen Bäumen und kleinen Pagoden reihen sich auf dem sandigen Boden Krüge und Gefäße in allen Größen und Formen und Farben. Sie sind gut sortiert und akkurat ausgerichtet. Ich bin begeistert vom diesem Anblick. Nichts scheint es zu geben, was es hier nicht gibt. Zwei, drei von den riesigen Krügen könnte ich in meinem Garten ganz gut gebrauchen. Ich belasse es aber bei einem Schwätzchen mit der Verkäuferin, weil ich nicht über das Transportproblem nachdenken will.
Zwischen all den Zerbrechlichkeit stapfen munter ein paar Rinder rum. Unwillkürlich muss ich an das Sprichwort vom Elefanten im Porzellanladen denken. Aber nichts geht hier zu Bruch. Die Rindviecher traben weiter.
Zwei Kuben übereinander
Am frühen Nachmittag setze ich mein Hopping durch die einzigartige Tempelstadt Bagan fort. Das nächste Ziel ist schon von weitem auszumachen. Kein Wunder. Denn der Thatbyinnyu Tempel ist mit 61 Metern der höchste Sakralbau in Bagan. Seine goldfunkelnde Shikhara kann man von vielen Standorten aus gut als Orientierung nutzen. Vor dem Heiligtum stehend, sehe ich die zwei deutlich voneinander abgehobenen Ebenen des Gebäudes. Verbunden sind die beiden aufeinanderstehende Kuben durch drei zurückversetzte Terrassen. Auch der obere Kubus hat drei dieser Terrassen. Durch eine Einrüstung zwecks Sanierungsarbeiten dort oben kann ich die Verjüngung zur Shikhara aber nicht so richtig erkennen.
In der Eingangshalle des Heiligtums empfangen zwei blaugewandete Tempelwächter. Die haben aber keinen Blick für die Gästeschar, sondern behalten viel lieber die Opferstöcke zu ihren Füßen im Blick. Sollen sie nur. Ich will mir sowieso nur die Sehenswürdigkeiten im Tempel anschauen. Am Interessantesten finde ich die schmalen Gänge. An ihrem Ende lugt das Unterteil eines großen Gold-Buddhas, der auf einem roten Podest thront, durch die Öffnung.
Buddhas im Korridor
Einen kleinen staubigen Fußmarsch vom Thatbyinnyu Tempel entfernt stoße ich auf einen weiteren sehenswerten Tempel. Der Ananda Tempel ist alt, er ist schön und er ist bei Pilgern beliebt. Und bei Touristen sowieso. 51 Meter erhebt sich das stolze Heiligtum, gestaffelt in vier Terrassen und oben durch eine goldglänzende Spitze gekrönt, aus dem Staub. Vier kleinere Spitzen um die Shikhara sehe ich noch. Und auch die vielen löwenartigen Wesen, die den Dachbereich zieren. Ihre weitaus größeren Kollegen – mit einem Kopf und zwei Körpern – wachen als Tempelschutz zu ebener Erde. Natürlich auf Podeste gestellt, damit sie den richtigen Überblick haben. So furchteinflößend scheinen die steinernen Wesen den Einheimischen wohl nicht zu sein. Denn munter turnen Kinder auf ihnen herum.
Gleich aus welcher Himmelsrichtung man den quadratisch angelegten Ziegelbau betritt, der Besucher strebt immer auf einen der vier Buddhas zu. Jeder ist 12 Meter hoch und steht in einer Nische. Die hölzernen Herren – nur zwei davon sollen wohl noch die originalen Skulpturen sein – sind mit Blattgold überzogen. Logo, dass das im Licht ordentlich funkelt. Angetan bin ich auch von den zahlreichen Nischen in den umlaufenden Korridoren. Die sind vollgestopft mit kleine Buddha-Figuren.
Naturschauspiel in Orange
Nach der Besichtigung des Ananda Tempels habe ich heute nur noch ein Ziel. Den Sonnenaufgang an diesem Tag habe ich auf dem Schiff erlebt. Nun will ich sehen, ob der Sonnenuntergang in Bagan wirklich so spektakulär ist, wie Myanmar-Urlauber immer schwärmen. Mit mir wollen das auch andere Touristen überprüfen. So befinde ich mich plötzlich, als ich die Kuppe eines kleine Berges bestiegen habe, inmitten einer Menschenansammlung. Die Foto-Profis haben längst schon in der ersten Reihe ihre Stative aufgebaut und die Kameras in Stellung gebracht. Dahinter stehen diejenigen, die das Naturschauspiel ohne Technik vor den Augen einfach nur genießen wollen. Und in der Ferne sehe ich, dass auch die Tempelspitzen ringsum von Sonnenanbetern bevölkert sind.
Dann ist es soweit. Die Sonne hat genug von diesem Tag und geht unter. Und plötzlich ist es ganz still auf dem Hügel. Jeder genießt das Schauspiel: Wie sich der Himmel orangerot färbt. Wie die alten Tempel kupferfarben glühen und dann nur noch als Schemen zu sehen sind. Unbeschreiblich schön. Die Nacht senke sich über die einzigartige Tempelstadt Bagan.
Weitere Stationen des Tempel-Hoppings in Bagan erfährst du hier.
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