Abstecher nach Gernrode: Die Stiftskirche ist ein lohnendes Ziel

Die Stiftskirche St. Cyriakus lohnt ebenso einen Abstecher nach Gernrode wie das weltgrößte Wetterhaus und die zweitgrößte Kuckucksuhr.

Der Kuckuck ruft

Gernrode hat einen Vogel. Einen ziemlich berühmten sogar. Der wäre beinahe ins Guinness Buch der Rekorde gekommen. Nur einige Zentimeter haben gefehlt. Das erfahre ich bei meinem Abstecher nach Gernrode. Jedenfalls bin ich – wie jedes Jahr zahlreiche Touristen – auch wegen dieses markant rufenden Vogels in die kleine sachsen-anhaltische Stadt gekommen, die nur einen Katzensprung von Quedlinburg entfernt im Vorharz liegt. Oder treffender gesagt: Mein Interesse gilt nicht nur dem Tier, sondern eher seiner Behausung. Und die ist die weltgrößte Kuckucksuhr außerhalb des Schwarzwaldes.

Zusammen mit anderen neugierigen Besuchern stehe ich also zur Mittagszeit vor dem zünftig gestalteten Uhrenhaus und warte. Bis der Kuckuck ruft, sind es noch gut zwei Minuten. Zeit also, um mir einige Fakten ins Gedächtnis zu rufen. Die Gernröder Kuckucksuhr – so las ich – ist stolze 14,50 Meter hoch und sieben Meter breit. Das Zifferblatt hat einen Durchmesser von 2,20 Meter. Und trotzdem wurde sie nicht ins Rekordbuch aufgenommen. Warum nicht, das erfahre ich später.

Jetzt ist erst mal Zeit für den Auftritt des Kuckucks, denn es ist 12 Uhr. Eine Fanfare ertönt. Das zweiflüglige Türchen über dem Zifferblatt öffnet sich und der berühmte Gernröder Vogel schiebt sich durch die Luke. Kopf und Schnabel bewegt er und ruft zwölf Mal, bevor er mit Unterstützung von Gute-Laune-Musik wieder in seinem Zuhause verschwindet. Bis zum nächsten Auftritt. Die Zuhörer zerstreuen sich mit lächelnden Gesichtern im Ort. Ich gehe zufrieden ins Uhrenmuseum. Das gehört zur Harzer Uhrenfabrik und liegt gleich um die Ecke.

Abstecher nach Gernrode zur weltgrößten Kuckucksuhr außerhalb des Schwarzwaldes
Abstecher nach Gernrode zur weltgrößten Kuckucksuhr außerhalb des Schwarzwaldes

Größtes Wetterhaus der Welt

Neugierig bin ich, was es mit der Bezeichnung „die weltgrößte Kuckucksuhr außerhalb des Schwarzwalds“ auf sich hat. Die Antwort erhoffe ich mir im Gebäude, das aussieht wie ein gigantisches Wetterhaus. Was es wirklich ist. Und im Gegensatz zur benachbarten Kuckucksuhr hat es das Haus tatsächlich ins Guinness Buch der Rekorde geschafft. Mein Abstecher nach Gernrode hat mich also auch zum größten Wetterhaus der Welt geführt. Und das sieht ziemlich fröhlich aus. An die Fassade des 5,20 Meter breiten und 9,80 Meter hohen Gebäudes sind links eine Strahlesonne aufgemalt und rechts davon Wolkenberge, aus denen es regnet. Zwischen beiden Bildern hat sich eine Sonne ins weiße Wolkenbett verzogen.

Sonnenschein prognostiziert

Auf dem Balkon sehe ich zwei Öffnungen, durch die je nach Wetterlage mal ein Mann mit Regenschirm, mal eine Frau erscheint. Beide Figuren sind aus Holz geschnitzt und etwa einen Meter groß. Zum Glück hat bei meinem Abstecher nach Gernrode die Frau im tief dekolletierten roten Kleid die Nase vorn. Untermieter im Rekord-Wetterhaus ist ein gewaltiger Uhu. Der hat über den beiden Wetteranzeigern Quartier bezogen. Komplettiert wird das Ganze durch ein Thermometer, ein Barometer sowie ein durch Wasser angetriebenes Sägegatter und ein Wasserrad. Das Wetterhaus – Teil der Harzer Uhrenfabrik – entstand übrigens 1998. Also ein Jahr, nachdem der Rekordversuch mit der Kuckucksuhr in die Hose ging.

Hinweisschild zum Uhrenmuseum in Gernrode
Beim Abstecher nach Gernrode kann man auch das weltgrößte Wetterhäuschen sehen, in dem die Uhrenfabrik mit Museum untergebracht ist

Museum in der Uhrenfabrik

Das Uhrenmuseum sollte man bei einem Abstecher nach Gernrode nicht aussparen. Verfehlen kann man es nicht. Gleich links von der fröhlich-bunten Fassade des Wetterhauses befindet sich der Zugang. Den passiere ich jetzt. Ein paar Stufen geht es nach oben und schon bin ich mitten drin im Kuckucksuhren-Heiligtum der Harzer Uhrenfabrik. Seit 1948 wurden hier mechanische Uhren hergestellt und etwa 20 Jahre später dann auch Kuckucksuhren. Seither gilt die kleine Firma als einziger Hersteller von Kuckucksuhren außerhalb des Schwarzwaldes.

Eine Vielzahl der hier gefertigten Kuckucksuhren begleitet mich nun auf Schritt und Tritt durch das kleine Museum. Die unterschiedlichsten Modelle bevölkern Treppenaufgänge und Wände. Traditionelle Zeitmesser sehe ich und auch einige modern anmutende Exemplare. Ins Auge fallen mir farblich gesehen ziemlich schrille Zeitmesser. Ausgestellt sind auch speziell für Kinderzimmer designte Modelle. Und Standuhren stehen Seit an Seit in einem Raum. Auf einem Tischen sind verschiedene Zifferblätter ausgebreitet. In einem anderen Zimmer wecken Wetterhäuschen in verschiedenen Größen meine Aufmerksamkeit. Weil ich bei ihrem Anblick an meine Kindheit denke – ich hatte auch ein Wetterhäuschen – kaufe ich mir jetzt eins zur Erinnerung an meinen Abstecher nach Gernrode.

Missglückter Rekordversuch

In der Werkstatt entdeckte ich besonders schöne Kuckucksuhren-Exemplare. Besitzer haben sie zur Reparatur gebracht, erzählt eine Mitarbeiterin. Sie lenkt meine Aufmerksamkeit auf schöne Details und Besonderheiten der Modelle. Ihre Erklärungen werden untermalt durch diverse Kuckucksrufe aus allen Ecken der Werkstatt. Den Schilderungen höre ich gern zu, finde aber, dass nun Zeit ist zu erfahren, was es mit dem verpassten Rekord auf sich hat. Also frage ich nach und die Mitarbeiterin erzählt die Geschichte. Hier die Kurzfassung.

Um auf sich und ihre Exportschlager aufmerksam zu machen, fassten die Mitarbeiter der Harzer Uhrenfabrik Ende der 90er Jahre den Entschluss, die größte Kuckucksuhr der Welt zu bauen. Sie musste größer sein, als der bisherige Rekordhalter im Schwarzwald. Dessen Höhe war mit 14 Metern im Guinness Buch angegeben. So entstand 1997 an der Frontseite des zweigeschossigen Fachwerkhauses der Fabrik in wenigen Monaten die überdimensionale Nachbildung einer funktionstüchtigen Kuckucksuhr. Doch der Rekordversuch scheiterte. Neue Nachmessungen ergaben nämlich, dass der bisherige Rekordhalter deutlich größer war.

Weltgrößtes Holzthermometer

Ärgerlich für die Gernröde. Die aber steckten den Kopf nicht in den Sand. Und tüftelten Neues aus. So besitzen sie nun nicht nur die weltgrößte Kuckucksuhr außerhalb des Schwarzwaldes. Es gibt kein Wetterhäuschen auf der Welt, das größer ist, als das in Gernrode. Und weltweit lässt sich auch kein Thermometer aus Holz finden, dass es mit dem in Gernrode kreierten Modell aufnehmen kann. Der Temperaturmesser ist immerhin 7,45 Meter lang, 3,03 Meter breit und wiegt stattliche 461 Kilo. Oder anschaulicher gesagt: Ein Grad Celsius ist in Gernrode 4,8 Zentimeter lang. Allerdings kann ich das überdimensionale Teil bei meinem Abstecher nach Gernrode nicht besichtigen. Es ist grad zur Wartung, erfahre ich. Dafür sehe ich aber die Urkunde vom Guinness-Eintrag.

Dass die Mitarbeiter der Harzer Uhrenfabrik nicht nur groß können, zeigen andere Rekorde. So tickt im Museum beispielsweise die kleinste mechanische Kuckucksuhr der Welt. Und dass man nicht nur Holz als Baumaterial für Kuckuckshäuschen nehmen kann, zeigt eine stattliche Kuckucksuhr ganz aus Schokolade. Der Werdegang der Kuriosität ist an einer Wand dargestellt.

Überall Uhren: Beim Abstecher nach Gernrode sollte man auch im Uhrenmuseum verbeischauen

Kaffeepause beim Froschkönig

Gernrode hat etwa 3.400 Einwohner. Dementsprechend überschaubar sind auch die Gebäude der Stadt. Ein Spaziergang durch die Altstadt lohnt trotzdem. Einen Besuch abstatten kann man beispielsweise der alten Elementarschule. Es wird vermutet, dass sie eine der ersten lutherischen Schulen Deutschlands gewesen ist. Die Unterrichtsräume sind eingerichtet wie anno dunnemals. Leider ist das Museum grad geschlossen und mir bleibt nur ein Blick durch das Fenster. Also ziehe ich weiter Richtung Stiftskirche. Doch erst einmal mache ich eine Kaffeepause. Bei einer Tasse Cappuccino, die ich auf der Terrasse des hübsch eingerichteten Cafés „Froschkönig“ genieße, habe ich mein nächstes Ziel schon fest im Blick. Es liegt gleich gegenüber.

Fachwerk in der Altstadt von Gernrode

Umwerfendes Blau in der Stiftskirche

Die Türme der St. Cyriakus Kirche sind schon von weitem sichtbar. Das beinahe unverändert gebliebene Bauwerk mit der dreischiffigen Hallen-Krypta stammt aus ottonischer Zeit und liegt an der Straße der Romanik. Wer einen Abstecher nach Gernrode macht, sollte unbedingt reinschauen in das wirklich sehenswerte und zentral in der Stadt gelegene Gotteshaus.

Im Innern schwingt sich der imposante romanische Bau in die Höhe. Und wie meist beim Besuch von Kirchen habe ich hier besonders das Gefühl, ziemlich klein und verloren zu sein. Doch das hält nur einen kurzen Moment an. Weil mich der Anblick des außergewöhnlichen Blaus der Ausmalung auf der Orgel-Empore und im gegenüberliegenden Altarraum gefangen nimmt. Irgendwie erinnert mich die Intensität des Blautons an das Chartres-Blau berühmter Kirchenfenstern.

Nachbildung des Grabes Christi

Die Stiftskirche weist etliche Besonderheiten auf. So soll es im Gebäude fast keine rechten Winkel geben. Da ich das nicht nachprüfen kann und will, lenke ich meine Aufmerksamkeit vielmehr auf das Heilige Grab. Es soll möglicherweise im 11. Jahrhundert nachträglich im südlichen Seitenschiff eingesetzt worden und die älteste in Deutschland erhalten gebliebene Nachbildung des Grabes Christi in Jerusalem sein.

Ein Hingucker sind auch die Langhaus-Emporen. Deren Funktion sind zwar nicht überliefert, doch dürften sie einmalig sein im altsächsischen Raum. In der Querschiff-Empore rechts vom Altar fällt mir das Wandbild Gero ins Auge. Von der linken Querschiff-Empore fotografiere ich vorbei an einer blätterumrankten Kapitelle die zweigeteilte Orgel. Zum Abschluss werfe ich noch einen Blick in den Kreuzgang der Stiftskirche. Ich setze mich auf eine Bank und betrachte das imposante Gotteshaus aus einer anderen Perspektive.Und dabei lasse ich meine Erlebnisse beim Abstecher nach Gernrode Revue passieren.

Die Türme der Stiftskirche Cyriakus in Gernrode sieht man schon von weitem
Abstecher nach Gernrode zum Kreuzgang der Stiftskirche

Wer schon mal in Gernrode ist, sollte ein paar Kilometer weiter fahren nach Quedlinburg. Ein Besuch in der Welterbe-Stadt ist wie eine Reise ins Mittelalter. Natürlich mit den Annehmlichkeiten der heutigen Zeit. Überall trifft der Besucher der sachsen-anhaltischen Stadt auf Fachwerk. Es stammt aus acht Jahrhunderten und ist sehr schön restauriert. Meine Eindrücke vom Besuch in der Fachwerk-Stadt schildere ich hier