In Halles Süden sollte auf einer Industriebrache Ostdeutschlands größtes Sportzentrum entstehen. Doch das ehrgeizige Projekt wurde nie vollendet. Nun soll es abgerissen werden. Doch bis dahin dürfen Sprayer in den Rohbau. Statt Körperertüchtigung nun Graffiti im Sportkomplex. Und alles ganz legal.
Aus für die Investruine
Eigentlich sollte hier längst der Ball rollen. Seit zehn Jahren etwa. Im Dezember 2011 nämlich sollte es losgehen in Ostdeutschlands größtem und modernstem Sportzentrum in Halle. Mit Basketball und Tennis und Squash. Doch über den Rohbau hinaus hat es das ehrgeizige Projekt eines Apothekers aus Leipzig nicht geschafft. Der hatte vor rund zwei Jahrzehnten eine Industriebrache im Böllberger Weg gekauft. Ein imposantes Gebäude wurde auf dem Areal nahe der Saale hochgezogen. Etwas mehr als 180 Meter lang. Was in der Bauphase alles schief gelaufen ist, soll hier nicht das Thema sein. Nur so viel. Obwohl vor geraumer Zeit noch die großen Seitenfester eingesetzt und eine Metallverblendung an der Fassade angebracht wurde, kam nun das Aus für den Millionen teuren Bau.
Was des einen Leid, ist bekanntermaßen des andern Freud. Also freuen sich denn derzeit die Kreativen mit den Spraydosen. 30.000 Quadratmeter Wandfläche im Sportparadies stehen ihnen eine begrenzte Zeit für ihre bunten Bilder zur Verfügung. Ganz legal können sie die Flächen nach ihren Vorstellungen besprühen oder bemalen. Bis aller Voraussicht im Mai 2021 die Abrissbagger anrollen. Und das Sportparadies rückgebaut wird. Um Platz zu schaffen für ein neues Wohnquartier. Das soll den Namen „Saalegarten“ tragen.
Löwe mit bösem Blick
Die erste Halle, die ich betrete, ist leer. Dafür sind die Betonwände voll. Voll mit bunten Graffiti in unterschiedlichen Handschriften und Qualitäten. Der grimmig blickende Löwe in Blau unterm gewölbten Hallendach gefällt mir von den Graffiti im Sportkomplex am besten. Witzig auch der grüne Wal. Wird das brennende Auto in seinem weit aufgerissenen Maul landen? Während ich die Kunst aus der Dose ansehe, höre ich Stimmen. Sie kommen aus Nachbarhalle. Und dort herrscht dann wirklich emsiges Treiben. Vier Sprayer arbeiten an den Wänden. Die Spraydosen klacken. Feiner Sprühnebel zieht durch den Rohbau. Und es riecht nach frischer Farbe.
Mit kühnem Schwung sprüht ein Sprayer in schwarzer Kluft eine olivgrüne Linien an die Wand. Für ein kurzes Gespräch unterbricht er seine Arbeit. Um vom Kunstprojekt zu schwärmen, das der Verein Kulturkiste ins Leben rief. Gemeinsam mit der City Domizil GmbH machte er es möglich, dass Profis und Laien gerade Seite an Seite die Wände gestalten können. Natürlich mit Genehmigung des Eigentümers.
Kurze Haltbarkeit
Dass seine Arbeit nur kurzen Zeit Bestand haben wird, stört den jungen Sprayer aus Halle nicht die Bohne. Im Gegensatz zu seinem Bruder. Der arbeitet an der Wand schräg gegenüber. Ein wenig bedauert er, dass seine Bilder nur ein kurzes Haltbarkeitsdatum haben. Doch was soll man machen. Schließlich zählt der Spaß, meint er und lehnt die Leiter an die Wand.
Ganz hinten in der Sporthalle, in einer Ecke, ist ein Graffiti-Künstler aus Leipzig in Aktion. Statt mit Spraydosen gestaltet er sein Bild mit Farbe und Pinsel. Alles sieht ziemlich akkurat aus. Das Motiv lässt sich noch nicht erahnen. Mal gucken, wie das Wandgemälde aussieht, wenn es fertig ist.
Klein bis wandfüllend
In der kurzen Zeit, seit das Projekt ins Leben gerufen wurde, sind etliche Graffiti im Sportkomplex entstanden. Ich gehe auf Entdeckungsreise. Halle für Halle schaue ich mir die Bilder an den betongrauen Wänden an. Manche füllen selbstbewusst eine ganze Wand. Manche sind klein, aber nicht minder augenfällig. Und überall in den sechs Hallen und den zahlreichen Räumen ist noch Platz für weitere Graffiti. Bis zum 1. April 2021 soll das Kunstprojekt in Halle noch dauern. Besucher und Zuschauer erwünscht.
Falls du auf der Suche nach schönen Graffiti in Halle bist, dann nehme ich dich mit auf eine Streetart-Tour durch die Saalestadt. Schau mal hier. Und wenn du noch mehr Graffiti (Murals) in Halle entdecken willst, dann gibt es eine Fortsetzung.
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