Mit seiner perfekten Symmetrie und der hellen Tuffsteinfassade weiß das reizvolle Chateau Cheverny zu gefallen. Das herrschaftliche Anwesen südlich der Stadt Blois ist seit sechs Jahrhunderten im Besitz ein und derselben Familie. Auch wegen seiner prächtigen Inneneinrichtung gehört Cheverny zu den meistbesuchten Loire-Schlössern. Mehr als 400 Schlösser und Burgen reihen sich an den Ufern und im Umland des längsten Flusses Frankreichs. Ein Drittel davon steht Besuchern offen. Angeschaut habe ich mir zwölf der historischen Anwesen.
Damenhut für eine Riesin
Nach der Besichtigung am Vormittag kehre ich dem protzigen Chateau Chambord den Rücken. Zum nächsten Tagesziel ist es nicht weit. Nicht mal 18 Kilometer. Schon habe ich das reizvolle Chateau Cheverny im Blick. Es ist eines der berühmtesten Loire-Schlösser. Und auch eines der am schönsten möblierten. Was ich gleich überprüfen werden.
Als erstes zieht ein schicker Damenhut meine Aufmerksamkeit auf sich. Er ist überdimensional groß. Wahrscheinlich ein Kopfputz für Riesinnen. Und er ist pinkfarben. Damit ist der rosafarbene Schwinger nicht nur ein Hingucker. Er bildet auch einen herrlicher Kontrast zum satten Rasengrün und der hellen Schloss-Fassade. Im Vergleich zum eben besuchten Chambord macht Chateau Cheverny von außen auf mich einen schlichten Eindruck. Diese perfekte Harmonie im Louis-XIII-Stil gefällt mir. Nicht dieses wilde Türmchen-Durcheinander wie in Chambord. Bei dem ich nicht so recht wusste, wohin ich zuerst schauen sollte. Aber das ist Geschmacksache.
Nachdem ich noch einen Blick werfe auf das Schloss-Modell, geformt aus bunten Eiern, schwenke ich auf den Kiesweg ein. Der führt geradewegs auf die Südfassade des Schlosses zu. Die ist zwischen den Fenstern im ersten Geschoss mit Büsten römischer Kaiser geschmückt. Die Dekors fügen sich harmonisch in das Gesamtbild ein. Wirklich ein schöner Anblick. Nicht aufdringlich, sondern dezent schmückend.
Geweih eines prähistorischen Elchs
Nach Passieren des schmalen Eingangs empfängt mich die Ehrentreppe. Auch sie präsentiert sich im Louis-XIII-Stil. Was heißt, statt auf einer Wendeltreppe steige ich eine Treppe mit geradem Lauf nach oben. Auf dem Absatz – schwarz-weiß gefliest – erwartet mich eine Paraderüstung. Die soll aus dem 16. Jahrhundert stammen und 25 Kilogramm wiegen. Alles andere als ein Vergnügen für den, der sie damals trug. Denke ich mitleidig.
Dann fällt mein Blick auf das darüber befestigte Geweih. Mann, ist das groß. Nicht jeder Besucher wird wissen, dass er da was ganz Seltenes vor sich hat. Ich wäre vielleicht auch achtlos vorbeigegangen, hätte ich nicht zuvor in die Schloss-Broschüre geschaut. Das 6.000 Jahre alte Gehörn stammt nämlich von einem Megaloceros. Das war ein Vorfahre des Elchs. Vor 200 Jahren wurde dieses prähistorische Exemplar im sibirischen Eis gefunden. Und im Treppenhaus in der tatsächlichen Höhe des Tierkopfes aufgehängt. Diesem Giganten mochte man dereinst in freier Wildbahn nun wirklich nicht begegnet sein.
Ein Baum aus Macarons
Das reizvolle Chateau Chevery zählt nicht nur zu den ersten Loire-Schlösser, das Besuchern seine Pforten öffnete. Es gilt auch – wie gesagt – als eines der am schönsten möblierten. Darauf bin ich jetzt gespannt. Meinen Rundgang starte ich im Speisesaal. Bei aller Opulenz, die hier auf mich einprasselt, bleibt mein Blick alsbald an den kostbaren Holztäfelungen hängen. 34 sind es insgesamt. Jean Monier hat sie gemalt. Die kleinen Kunstwerke zeigen die Geschichte von Don Quijote. Auch die blau gepolsterten Stühle rund um die Tafel finden meine Beachtung. Bewegen lassen sich die Stühle nämlich auf Rollen aus Schafsknochen. Wie ich ebenfalls dem Schloss-Prospekt entnehme. Da steht auch drin, dass der wuchtige Renaissance-Kamin vergoldet ist. Ganz schön dekadent. Ebenso ein Hingucker ist der versilberte Kronleuchter aus Bronze. Obwohl er filigran wirkt, bringt er mehr als 100 Kilo auf die Waage.
Bunt wie ein Kindergeburtstag
Etwas gewöhnungsbedürftig finde ich die Tisch-Deko. Zwischen den Gedecken stolziert ein pinkfarbener Plaste-Flamingo. Eine Koralle entdecke ich. Eine Kunst-Palme auch und Topfpflanzen sowie einen Deko-Baum. Der ist mit Macarons bestückt. Das fröhliche Ambiente hat irgendwas von Villa Kunterbunt oder Kindergeburtstag. Und stellt irgendwie einen Kontrast dar zu dem ansonsten stimmigen Ambiente aus kostbaren Möbeln des 16. und 17. Jahrhunderts, den Gemälden alter Meister und den wundervollen Wandteppichen.
Hitchcock und die schwarzen Vögel
Auch in anderen Salons nehme ich Dinge wahr, die in die herrschaftliche Kulisse nicht so recht passen wollen. In einem Zimmer haben sich beispielsweise Louis de Funès und Fantomas niedergelassen. In einem anderen Raum macht sich Alfred Hitchcock breit. Mitgebracht hat er seine aggressiven schwarzen Vögel. Die sind aus Lego-Steinen zusammengesteckt. So wie die Phantasiefiguren in anderen Räumen auch. Warum dieser Stilbruch? Der Grund ist einfach. Die Schlossherren, sagt der Guide, wollen mit diversen Ausstellungsgegenständen auch jüngere Besucher anlocken. Und mit den Eintrittsgeldern die Haushaltskasse aufbessern. Denn Erhaltung und Sanierung des Familienbesitzes kosten Geld. Doch als Besucher zahlt man gern den Obolus, um sich mal in solch schönen Residenzen umschauen zu dürfen. Übrigens steht Besuchern seit 1922 das reizvolle Chateau Cheverny offen.
Viele Details entdecke ich während meines Rundgangs noch. Sie sind so arrangiert, dass ich den Eindruck haben, gleich kommen die Schlossbesitzer zur Tür herein. Überall brennt Licht. Der Fernseher ist eingeschaltet. Auf dem Sofa in der Bibliothek liegt eine Violine. Im prächtigen Großen Salon steht spielbereit eine Harfe. Ein Hochzeitskleid samt Schleier, der über einem Sessel ausgebreitet wurde, scheinen auf die Braut zu warten. Und überall liegen oder hängen Hüte. Natürlich keine Riesenexemplare wie auf der Wiese.
Rüstung für Vierjährigen
Auch im Waffensaal schaue ich mich um. Hier wird eine bemerkenswerte Sammlung alter Waffen und Rüstungen präsentiert. Eine Schau, die nicht nur männliche Besucher interessieren dürfte. Ausgestellt ist auch eine kleine Rüstung. Sie gehörte dem damals vierjährigen Herzog von Bordeaux, später Graf von Chambord. Früh übt sich… Auch ein Blick nach oben lohnt. Die opulente Deckengestaltung ist sehenswert und konkurriert mit den erlesenen Möbeln. Ausnehmend gut gefällt mir die rotlackierte Sänfte. Mit der könnte ich mich direkt ins nächste Schloss schleppen lassen.
Schwergewicht für die Reise
Zu schleppen hatten die Lakaien damals auch mit dem Reisegepäck der Herrschaften. Ein Lederkoffer, beschlagen mit dem Wappen von Frankreich und Navarra, zeugt davon. Er soll ohne Inhalt stattliche 70 Kilogramm wiegen. Überprüfen kann ich das nicht, denn Anfassen ist verboten. Das reizvolle Chateau Cheverny hat natürlich auch eine Kapelle. Nicht sehr groß ist sie. Aber sehenswert. Wie auch der Schloss-Garten. In den sollte man durchaus auch einen Blick werfen.
Jagdhunde sind müde
Nach meinem Garten-Spaziergang zieht es mich zum Hundezwinger. Das reizvolle Chateau Cheverny gilt als eine Hochburg der Hetzjagd. Demzufolge gibt es hier natürlich auch ein großes Rudel Jagdhunde zu sehen. Rund hundert sollen es sein. Die Kreuzung aus englischem Foxhound und französischem Poitevin wurde extra für die Jagd gezüchtet.
Doch los ist im Zwinger grad nichts. Die meisten Tiere liegen auf den Steinen und dösen. Zeit für mich, nun weiterzuziehen. Nach Amboise. In mein gebuchtes Hotel. Dort tue ich es den Hunden gleich und ruhe mich aus. Morgen will ich das Chateau Chenonceau besuchen. Danach geht es zum Chateau Chaumont. Und wenn noch Zeit bleibt, schaue ich mir gegen Abend das Schloss Amboise an.
Reiseinformationen:
Wie an einer Perlenschnur aufgereiht – die Schlösser der Loire. Als Einstieg von Paris aus kommend besuchte ich am ersten Tag meiner sechstägigen Schlösser-Tour Chambord und Cheverny. Am zweiten Tag knöpfte ich mir gleich drei Stationen vor: Chenonceau, Chaumont und Amboise. Von meinem Hotel in Amboise zog es mich am dritten Tag nach Villandry, Azay-le-Rideau und Tours. Den vierten Tag hatte ich für die Besichtigung von Burg Sully und Kloster St. Benoit reserviert. Tag fünf schaute ich mir Chinon, Rivau und Fontevraud an. Den Höhepunkt meiner Reise bildete am letzten Tag eine Visite im königlichen Blois.
Da es an Schlössern und Burgen und hübschen Städtchen im Loire-Gebiet nun wirklich nicht mangelt, kann man sich die Liste der zu besuchenden Sehenswürdigkeiten nach Gusto selbst zusammenstellen. Wer sich lieber auf professionelle Unterstützung verlassen will und gern in der Gruppe unterwegs ist, der findet bei den verschiedensten Reiseanbietern Pauschalreisen zu den schönsten Loire-Schlössern.
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