Auf einem Fels über der Loire thront das burgähnliche Chateau Chaumont. Es ist nicht nur das am höchsten gelegene Schloss der Region. Das bestens erhaltene Gebäude gehört auch zu den wenigen Schlössern, die direkt an Frankreichs größtem Fluss errichtet wurden. Etwa 400 Schlösser und Burgen zählt die Loire-Region. Ich habe ein Dutzend besucht.
Erzwungener Tausch
Der Deal steht. Diane de Poitiers muss raus. Raus aus ihrem geliebten Schloss. Ohne Murren packt sie ihre Siebensachen und zieht um. Vom Chateau Chenonceau ins das burgähnliche Chateau Chaumont. Nur eine kurze Kutschfahrt entfernt. Ich erinnere mich an die Hintergründe des Schlösser-Tauschs. Die erfuhr ich wenige Stunden zuvor auf Chenonceau. Und die Geschichte geht so.
Heinrich II. hatte zwei Frauen. Eine war Ehefrau Caterina de Medici, eine reiche Kaufmannstochter aus Florenz. Und er hatte drei Jahrzehnte lang eine Mätresse. Das war die verwitwete Diane. Der Schönheit schenkte Heinrich nach seiner Krönung 1547 das ansehnliche Chateau Chenonceau. Hier fühlte sich die heimliche Königin von Frankreich wohl. Sie verlieh dem Anwesen durch einen Brückenanbau sowie dem Anlegen eines Lustgartens ein neues Antlitz. Das Glück auf Chenonceau währte ein Dutzend Jahre. Bis sich Heinrich II. 1559 während eines Turniers verletzte und starb. Seine Witwe Caterina, die Besitzerin von Chateau Chaumont, war immer schon scharf aufs Schloss der Nebenbuhlerin. Sie wollte dort residieren und ausgefallene Feste feiern. Nun war der Weg frei. So zwang die füllige Florentinerin 1560 Diane zum Tausch der Anwesen.
Mit dieser Geschichte im Hinterkopf nähere ich mich dem Schloss. Das wird durch alte Bäume wirkungsvoll in Szene gesetzt. Allerorten warten Stellen für tolle Erinnerungsfotos. Rechts gibt mir ein akkurat geschnittener Rasen mit schmalem Blumenstreifen Geleit. Links säumt ausuferndes Gesträuch den geraden Weg. An dessem Ende wartet Chateau Chaumont. Von einem Fels, auf dem es gebaut sein soll, sehe ich nichts. Dafür kommen mir die trutzigen Rundtürme in den Blick, die in spitze Dachhauben münden. Alles gut erhalten, sehr hell von der Anmutung und recht passabel. So schlecht scheint der Tausch für Diane wohl dann doch nicht gewesen, denke ich.
Schloss wirkt wie Festung
Mit einer Besuchergruppe strebe ich Richtung Haupttor. Je näher ich komme, desto mehr beschleicht mich das Gefühl von Enge und Eingeschlossenheit. Wahrscheinlich durch diese beiden mächtigen Rundtürme am Eingang. Sie scheinen das Portal zwischen sich fast zusammenzupressen und verleihen so dem Gebäude den Charakter einer Festung. Das Gefühl der Enge verstärkt sich, nachdem ich die doppelte Zugbrücke und den engen Torbogen passiere und mich der schmale Gang zum Innenhof buchstäblich verschluckt.
Im Hof gibt es neben den Renaissance-Fassaden nur zweierlei zu sehen. Das erste ist ein alter Ziehbrunnen, das zweite der Ausblick auf das Loire-Tal. Den hatte man zu Dianes Zeiten nicht. Denn erst 1740 ließen die späteren Besitzer den Nordflügel des Loire-Schosses abreißen und öffneten so den Blick auf den Fluß. An der niedrigen Brüstung angekommen, registriere ich, was auf meinem Weg zum Portal nicht zu sehen war: Chateau Chaumont thront tatsächlich auf einem Fels. 40 Meter steil zu meinen Füßen fließt die Loire. Kleine Boote ankern zwischen den Sandbänken. Weit und breit Wälder und Wiesen.
Schmückende Bodenfliesen
Vielleicht ist drin mehr zu sehen als im schmucklosen Hof. Also hinein ins Gebäude. Vorab wusste ich, dass von der ursprünglichen Ausstattung wenig erhalten blieb. Trotzdem gibt es in den museal eingerichteten Räumen genügend Interessantes zu entdecken. Flämische Wandteppiche wie auf Chateau Chenonceau sind auch hier in Augenschein zu nehmen, dazu kostbare Majolika-Bodenfliesen etwa im Rittersaal sowie Möbel aus dem 16. bis 18. Jahrhundert.
Alles sicherlich kostbar und interessant und geschichtsträchtig. Jedoch so anheimelnd und wohnlich wie auf Chateau Chenonceau finde ich es hier nicht. Da schlage ich mich auf die Seite von Diane und Catarina. Auch mein Favorit steht fest: Chenonceau. Wahrscheinlich sehe ich die beiden Anwesen mit den Augen der beiden Damen. Eines ist jedoch Fakt: Die zwei Chateaus gehören wie beispielsweise das Chateau Chambord unbedingt ganz oben auf die Reiseliste. Auch wegen dieser tollen Treppenhäuser. Denen sollte man ruhig Beachtung schenken und nicht einfach nur blicklos die Stufen hoch stiefeln. Die steinernen Spindeln, finde ich, sind sehr schön gefertigt.
Harmonie von Kunst und Natur
Den Schlosspark hat Diane de Poitiers so nicht gesehen. Er wurde erst 1884 als Englischer Garten angelegt. Sonst wäre ihr vielleicht der Aufenthalt im Chateau Chaumont etwas angenehmer gewesen. Und sie wäre vielleicht nicht ins Schloss Anet, übrigens ebenfalls ein Geschenk von Liebhaber Heinrich, umgezogen. Wobei man erwähnen muss, dass sich die Dame auch nach ihrem Umzug immer mal wieder in Chaumont blicken ließ und sich auch um den Erhalt des Anwesens kümmerte. Cineasten werden das Schloss Anet möglicherweise kennen. Es diente 1965 im James-Bond-Streifen „Feuerball“ als Filmkulisse.
Zurück zum Park. Der bietet in der Tat auf Schritt und Tritt eine ausgesprochen schöne Flora. Die uralten Bäume, die ihre unteren weit verzweigten Äste schützend über dem Boden ausbreiten, sind ein Hingucker. Wer Motive für einen Baum-Kalender sucht, dürfte hier fündig werden. Ich bin aber nicht allein mit meiner Schwärmerei für das gepflegte grüne Areal. Das zeigt die Tatsache, dass seit 1992 hier jedes Jahr von April bis Oktober internationale Garten-Festivals stattfindet. Die Landschaftsgärtner gestalten dann nach einem vorgegebenen Thema die Natur rund um Chateau Chaumont, verbinden Natur und Kunst-Installationen in schönster Harmonie. Einige Exponate fotografiere ich.
Nach dem Spaziergang im Grünen noch mal ein letzter Blick auf das burgähnliche zum Chateau Chaumont. Aus der Ferne wirkt es nicht mehr so streng. Trotzdem bleibt es dabei: Das liebliche Chateau Chenonceau gefällt mir besser. Aber entscheiden kann das jeder für sich. Mich zieht es jetzt erst mal nach Amboise. Und dann Richtung Tours. Etwa 15 Kilometer von der Hauptstadt der Touraine entfernt locken die legendären Gärten von Schloss Villandry.
Reiseinformationen:
Wie an einer Perlenschnur aufgereiht – die Schlösser der Loire. Als Einstieg von Paris aus kommend besuchte ich am ersten Tag meiner sechstägigen Schlösser-Tour Chambord und Cheverny. Am zweiten Tag knöpfte ich mir gleich drei Stationen vor: Chenonceau, das burgähnliche Chateau Chaumont sowie Amboise. Von meinem Hotel in Amboise startete ich am dritten Tag nach Villandry, Azay-le-Rideau und Tours. Den vierten Tag hatte ich für einen Besuch der Burg Sully und des Klosters St. Benoit reserviert. Tag fünf verbrachte ich in Chinon, Rivau und Fontevraud. Den Höhepunkt meiner Reise bildete am letzten Tag eine Visite im königlichen Blois.
Da es an Schlössern und Burgen und hübschen Städtchen im Loire-Gebiet nun wirklich nicht mangelt, kann man sich die Liste der zu besuchenden Sehenswürdigkeiten nach Gusto selbst zusammenstellen. Wer sich lieber auf professionelle Unterstützung verlassen will und gern in der Gruppe unterwegs ist, der findet bei den verschiedensten Reiseanbietern Pauschalreisen zu den schönsten Schlössern entlang der Loire und ihren Nebenflüssen.
Schreibe einen Kommentar