Mitten in der Saalestadt steht ein marodes Gebäude, das vorbeieilende Passanten kaum beachten. Es ist die alte Polizeidirektion in Halle. Seit die Behörde 2005 in eine neugebaute Dienststelle umgezogen ist, steht das denkmalgeschützte Haus leer. Doch die Tage des gut gesicherten Lost Place sind gezählt. Demnächst sollen hier moderne Wohnungen entstehen.
Unsichtbares Gebäude
Das Gebäude ist groß. Sehr groß. Und es steht an prominenter Stelle mitten im Stadtzentrum von Halle. Doch trotz der zentralen Lage und der Größe scheint kaum jemand das eigentlich markante Gebäude, errichtet auf trapezförmigem Grundriss, wahrzunehmen. Warum auch? Der Viergeschosser wirkt düster und trist und in seinem Verfall abstoßend. Und so würdigt denn auch kaum ein Passant im Vorbeieilen die alte Polizeidirektion in Halle eines Blickes. Nicht mal jene schauen an der Eingangsfront nach oben, die direkt vor dem Haupteingang einen Parkplatz gefunden haben. Das Eckgebäude zwischen Dreyhauptstraße und Hallorenring ist irgendwie unsichtbar.
Domizil der Polizei
Es gibt so Häuser, da mag man einfach nicht reingehen. Da macht man möglichst einen großen Bogen drumherum. Die alte Polizeidirektion in Halle ist für mich so ein Ort. Zu DDR-Zeiten war in dem Gebäude gleich am Hallmarkt das VPKA Halle untergebracht; in Langfassung Volkspolizei-Kreisamt. Es war zuständig für die Stadt Halle. Freiwillig ging da niemand, der nicht drin arbeitete, rein. Nur wenn eine Vorladung „zwecks Klärung eines Sachverhaltes“ ins Haus flatterte, dann musste dort hin. Ich glaube, ich war ein einziges Mal im Gebäude. Als ich meinen allerersten Personalausweis beantragte. Aber so genau weiß ich das gar nicht mehr.
Bauliche Mängel
Kurz zur Geschichte. In den Jahren 1907 bis 1909 wurde der Repräsentationsbau in barockisierendem Jugendstil eingangs der Dreyhauptstraße errichtet. Von Anbeginn an residierte hier die Polizei. Erst die des Kaisers, dann die der Weimarer Republik. Später hatte die Gestapo hier ihr Domizil. Nach dem Zweiten Weltkrieg bezogen die Genossen der Deutschen Volkspolizei die zahlreichen Räumlichkeiten. Bis 1989 arbeitete das VPKA hier. Dann kam mit der Wende die Wachablösung. Wahrscheinlich würden noch heute die Gesetzeshüter ihre Diensträume in dem denkmalgeschützten Gebäude nutzen, gäbe es nicht gravierende bauliche Schäden. So hat sich beispielsweise der vordere Gebäudeteil abgesenkt. Ein Grund, warum die Behörde 2005 in einen Neubau in der Merseburger Straße umzog. Seitdem steht die alte Polizeidirektion in Halle leer. Sie ist ein Lost Place. Und zwar ein gut gesicherter.
Holzvertäfelter Empfang
Schon geraume Zeit fragte ich mich, wie mag es jetzt in dem verlassenen Gemäuer aussehen? Stehen noch Schreibtische drin oder Schränke? Wurden in irgendwelchen Ecken Akten vergessen? Auf meine Fragen bekomme ich Antworten. Denn meine Bemühungen, mal in den alte Kasten reinschauen zu dürfen, werden belohnt. An einem eiskalten Novembertag wird mir von einem Verwalter die hohe braune Tür, flankiert von zwei sicher einstmals dekorativen Säulen, aufgeschlossen. Der Sicherheitsschlüssel dreht sich im Schloss. Die Tür zur alten Polizeidirektion steht nun einladend offen.
Ich trete ein in den Eingangsbereich. Der ist klein und abweisend. Nur spärliches Licht schafft es durch die schmutzigen Oberlichter der Eingangstür. Zuerst bemerke ich das Gitter gleich hinter der robusten Tür. Es ist zu beiden Seiten verschiebbar. Ich muss sofort an eine Festung denken. Hier kam garantiert damals kein Unbefugter so ohne weiteres rein oder gar raus. Dafür sorgten sicher auch die wachsamen Genossen in der Pförtnerloge. Die befindet sich, holzvertäfelt, gleich rechterhand im Entrée. Ziemlich duster ist es hier unten im Parterre. Sperriges steht und liegt rum. Aber nichts, was hier für ein Foto von Interesse wäre. Deshalb flugs die paar Stufen hoch und rein ins Treppenhaus.
Überall blättert der Anstrich
Und das ist schon ein Hingucker. Trotz der abblätternden Farbe in Grün und Ocker ringsum. Robuste braune Säulen, oberhalb mit goldenen Intarsien geschmückt, fallen an den breiten Aufgängen ins Auge. Sie tragen die Bögen. Was dem ganzen Treppenhaus Schwung verleiht und irgendwie für herrschaftliches Ambiente sorgt. Filigran wirkt das schöne Geländer aus der Jugendstil-Epoche. Auch hier blättert an vielen Stellen der silberfarbene Anstrich ab. Marode Schönheit eben. Das Haupttreppenhaus ist ziemlich breit. Obwohl kein Licht brennt, genügt das Tageslicht zur Orientierung. Millionen Staubpartikel tanzen im Lichtstrahl. Meine Bewegungen sorgen immer wieder für ihren Richtungswechsel.
Lange Flure, vergitterte Fenster
Vom breiten Treppenhaus gehen auf jeder Etage beidseits die Flure ab. Sie sind lang und schmal und genauso marode wie das Haus innen und außen. Auf der einen Seite werden die Korridore von Fensterfronten eingefasst, auf der anderen Seite reihen sich die Türen zu den ehemaligen Diensträumen. Bevor ich mir die anschaue, geht mein Blick durch eines der Flurfenster. Ich schaue in einen der engen Innenhöfe der alten Polizeidirektion in Halle. Was ich sehe, ist trostlos. Ein Gutteil der Fenster ist vergittert. Der Anblick schüchtert ein. So ziemlich am Ende des Rundgangs entdecke im hinteren und düstersten Gebäudeteil noch eine Zelle. Die ist winzig und fensterlos. Da möchte man wirklich nicht drin gesessen haben.
Warnung vorm Nachbarn
Die Büros bieten keine Überraschungen. Sie sind ausnahmslos leergeräumt. Nicht ein Stück Papier liegt rum. Auch in den Diensträumen hat der Zahn der Zeit gewaltig genagt. An Türen und Wänden blättert die Farbe ab. Die Tapeten scheinen noch aus DDR-Tagen zu sein. Das Linoleum wölbt sich an den Klebenähten leicht nach oben. An einigen Fenstern hängen verstaubte Gardinen. Nur die rot gepolsterten Türen in einem Dienstzimmer – bestimmt saß hier zu DDR-Zeiten der Parteichef drin – scheinen makellos. An einer anderen Tür entdecke ich einen Aufkleber. Und muss schmunzeln. Denn da wird auf quittegelbem Grund gewarnt „Vorsicht! Wachsamer Nachbar.“ Genau mein Humor.
Ein paar Schritte weiter stehe ich plötzlich in einem Raum mit recht wuchtigen Deckenbalken. Auch dieses Zimmer ist leer, hat aber etwas Markantes. Die drei Fenster sind mit roter Farbe gestrichen. Das muss auch schon einige Zeit her sein, denn die Farbe blättert. So kann zwar etwas Tageslicht eindringen, das allerdings für mich die Funktion dieses Zimmers auch nicht erhellt. Klar dafür ist, was in einem etwas entfernteren Raum mit bunter Zeichnung an der Wand so getrieben wurde – Sport nämlich. Denke ich jedenfalls.
Zimmer mit Aussicht
Über dem Haupteingang scheint sich der Leiter der Polizeidirektion eingerichtet zu haben. Das Dienstzimmer mit den großen Deckenleuchten streckt sich über den Großteil der Front. Durch die großen Fenster hat der Betrachter einen trefflichen Blick auf den Hallmarkt und das neue B&B-Hotel. Auch ein Stück vom Finanzamt ist zu sehen und das Dach des Doms. Aus einem anderen Fenster an der Seitenfront der alten Polizeidirektion hat man die Aussicht auf das Wahrzeichen von Halle – die fünf Türme. Mit Sicherheit haben nur wenige Hallenser Marktkirche und Roten Turm aus dieser Perspektive gesehen.
Rätsel gibt ein in Blautönen gestrichener großer Raum mit holzvertäfelter Decke auf. Er ist für mich der repräsentativste und von der Chef-Residenz durch eine Verbindungstür zu erreichen. Vermutlich wurden hier, in der ersten Etage, die Lagebesprechungen der Polizei durchgeführt. Eine hintergrundbeleuchtete Karte lässt das vermuten. Aber warum ist darauf das geteilte Berlin zu sehen?
Wohnungen werden gebaut
Die seit mehr als 15 Jahren leerstehende alte Polizeidirektion in Halle soll nun saniert werden. Nach mehrmaligem Eigentümerwechsel und allerhand Ideen, wie das denkmalgeschützte Gebäude genutzt werden könnte, sollen hier weder ein Hotel noch eine Seniorenresidenz, sondern Wohnungen entstehen. Mal sehen, wie dann das Problem mit den engen Innenhöfen gelöst wird. Selbst wenn die Gitter vor den Fenstern entfernt sind und die Fassaden einen neuen Anstrich bekommen haben, bleibt es da drinnen doch sehr eng.
Weitere verlassene Orte in Halle, die ich besucht habe, sind u. a. das RAW, die Freyberg Brauerei, der Schlachthof sowie die Spritfabrik.
sowas ähnliches gibt es auch in Frankfurt/Main. Ein altes Polizeigebäude kann man hier über einen Veranstalter buchen. Reizen würde mich das auch