Ein Spaziergang durch Würzburg führt zur Residenz, zur Festung Marienberg und zum Käppele und endet beim Schoppen auf der Alten Mainbrücke.
Hinauf zur Kapelle
Da habe ich mich wohl doch ein wenig überschätzt. Den Aufstieg zur benachbarten Festung Marienberg noch in der Knochen dachte ich, den terrassierten Weg zum Käppele hinauf schaffe ich mit links. Schließlich liegt die barocke Walfahrtskirche Mariä Heimsuchung nur 70 Höhenmeter überm Main. Also niedriger als die gerade besichtigte massive Festung. Und 256 Stufen bis zum Gipfel des Nikolausbergs, das klingt ja nun auch nicht grad weltbewegend viel. Also führt mich mein Spaziergang durch Würzburg nach dem Festungsbesuch nun hinauf zur fast zierlich anmutenden Kapelle.
Vorbei an Kreuzwegsgruppen
Doch bevor ich das Juwel des Rokoko aus der Nähe betrachten kann, ist kraxeln angesagt. Der Stationsweg, übrigens der größte seiner Art in Deutschland, hat es in sich. Die symmetrische Treppenanlage führt mich von einer Terrasse zur nächst höher gelegenen. Und bei jedem der fünf gepflasterten Plateaus geht mein Blick sehnsüchtig nach oben zu den Kirchturmspitzen. Doch die sind noch ein gutes Stück entfernt. Mein Weg geht vorbei an 77 Kreuzwegsgruppen. In 14 Stationen zeigen sie das Leiden Christi von seiner Verurteilung bis zur Grablegung. Zugegeben, ein wenig leide auch ich gerade. Zwei Berge in zweieinhalb Stunden hätte ich – im Nachhinein betrachtet – lieber sein lassen sollen.
Doch irgendwann bin ich dann doch am Ziel. Mit einem befreiten Aufatmen passiere ich die braune doppelflügelige Pforte des Käppele. Und mich empfängt im Gotteshaus eine so nicht erwartete Opulenz. Meine Worte sind zu schwach, um diese Pracht hier zu beschreiben. Man muss das mit eigenen Augen sehen. Insbesondere auch dieses kleine Gnadenbild, das in einem Glasschrein an der Rückwand des Baldachin-Hochaltars ins Auge fällt. Und das beidseits von zwei goldenen Engeln umflattert wird.
Wahrzeichen auf dem Marienberg
Eingangs erwähnt hatte ich sie schon, die Festung Marienberg. Sie ist eine der größten ihrer Art in Europa. Majestätisch thront der einstige Sitz der Fürstbischöfe etwa 100 Meter über dem linken Mainufer. Von Weinhängen umsäumt und durch die hohe Lage weithin sichtbar gilt die gewaltige Feste als ein Wahrzeichen der Frankenstadt. Logisch, dass mich mein Spaziergang durch Würzburg zuerst dorthin führt. Na ja, im Wortsinne ein Spaziergang ist der gut ausgeschilderte Weg nun wahrlich nicht, denn es geht etwa 40 Minuten beständig bergauf. Zumindest, wenn man wie ich von der Alten Mainbrücke kommt und erst mal die Tellsteige bezwingen muss.
Schon in Sichtweite der Festung, die im 16. Jahrhundert zum Renaissanceschloss umgebaut wurde, empfängt mich am Neutorgraben eine recht merkwürdige Skulptur. Wie ein mit flüssigem Silber übergossener Baum sieht die Stele aus. Das Denkmal aus Edelstahl erinnert an den Bauernkrieg 1525 und ihre Führer Götz von Berlichingen und Florin Geyer.
Stadt der Kirchen
Bevor ich weitergehe zum Neutor, wende ich mich nach links zur nahen Aussichtsplattform. Hier liegt mir die 1.300-jährige Altstadt buchstäblich zu Füßen. Ich versuche die Kirchen und Kapellen zu zählen. Etwa 60 sollen es sein. Deshalb wird Würzburg auch gern die Stadt der Kirchen genannt. Den Dom mit seiner Doppelturmfassade kann ich im Häusermeer ganz gut ausmachen. Und auch die gotische Marienkapelle aus dem 14. Jahrhundert.
Wesentlich älter und von diesem Standort aus nicht zu sehen, ist die Marienkirche. Weil das im 8. Jahrhundert gebaute Gotteshaus im inneren Burghof steht. Und da genau will ich jetzt hin. Also zurück zum Bauernkriegsdenkmal und rechts den Weg zur Festung, deren hoch aufragende Flügel mich schon grüßen, nehmen.
Zwei grimmige Löwen
Wenig später laufe ich über die kleine Bogenbrücke und stehe vor dem Neutor. Fratzenmasken glotzen mich von oben an. Und die beiden Löwen, die das Wappen flankieren, schauen nicht minder grimmig. Das schreckt mich aber keineswegs ab. Als ich das Tor passiere, habe ich das Gefühl, ich laufe mitten hinein in einen Berg. Was an den imposanten Mauern liegen mag, die den Weg flankieren. Und an der Krümmung. Die verhindert, dass ich das Ende sehe. Es braucht dann schon einige Schritte, ehe ich wieder unter freiem Himmel stehe und die Rückansicht des reich verzierten Tores bewundern kann. Hier schauen die Löwen gar nicht mehr grimmig. Und vor Herkules, der ganz oben die Keule schwingt, brauche ich auch keine Angst zu haben. Sondern kann mich freuen, dass ich erst mal im äußeren Ring angekommen bin.
Hier habe ich die Wahl, den ansteigenden geschwungenen Weg rechts zum Schönborntor zu nehmen. Oder den kürzeren Weg, der über die Treppen zur Ausfallpforte führt. Von Treppensteigen habe ich allerdings erst mal genug – also geht es nun mit Schwung nach rechts.
Fortuna glänzt in der Sonne
Auf dem Weg ins Festungszentrum kommt mir ein Vergleich in den Sinn. Die Anlage wirkt wie eine Zwiebel. Weil das Herzstück ähnlich wie Zwiebelhäute von Befestigungsanlagen umgeben ist. Doch irgendwann kommt man doch ins Innere. So wie ich grad nach dem Passieren des Scherenbergtors mit der vorgesetzten Brücke. Das Herz der Festung wird dominiert von der bereits erwähnten Marienkirche, einem 40 Meter hohen Bergfried und einem achteckigen Brunnentempel mit einer Zisterne, die 100 Meter tief reicht. Auf dem kunstvollen Brunnenhaus glänzt die Bronzefigur der Fortuna in der Sonne. Daneben schließt sich ein reich verziertes steinernes Brunnenbecken an.
Die 706 geweihte Marienkirche mit figurenreichem Schmuckportal hat die Form einer Rotunde und wirkt ziemlich klein. Trotzdem lohnt ein Blick hinein. Weil sich durch die runde Form eine interessante Gestaltung des Innenraums ergibt, die man so nicht gewohnt ist. Zudem sind die Innenausstattung und Wandgestaltung durchaus sehenswert.
Barockgarten mit Aussicht
Vom Burghof aus gelange ich über einen Mauergang zu einem weiteren Highlight der Festung. Der spiegelsymmetrisch angelegte Fürstengarten, der auf 1.300 Quadratmeter seine Reize ausbreitet, wurde Ende des 17. Jahrhunderts nach italienischem Vorbild angelegt. Zwar sind die Beete im Barockgarten bei meinem Besuch noch nicht bepflanzt, doch ich habe Phantasie. Es muss ein schönes Bild sein im Sommer: die ganze Blumenpracht eingefasst von den beiden zweiflügligen Freitreppen. Von einer der beiden erhöhten Plattformen mit den Pavillons genieße ich noch mal die Aussicht auf die Studentenstadt. In der die Kirchtürme nicht konkurrieren müssen mit Hochhäusern.
Schönheit aus einem Guss
Mein Spaziergang durch Würzburg führt mich nun zur Residenz. In nicht mal einem Vierteljahrhundert erbaut, präsentiert sich mir die 168 Meter lange Hofgartenfront des Schlosses wie aus einem Guss. Gern würde ich reinschauen in das Weltkulturerbe. Doch der Zugang zu einer der bedeutendsten Schlossanlagen des Barock in Europa ist mir heute verwehrt. So muss ich verzichten auf die weltberühmten Treppenhausfresken, den prunkvollen Kaisersaal, das Spiegelkabinett und die vielen Kostbarkeiten, welche in 40 Räumen des Museum versammelt sind.
Rosarotes Blütenmeer
Doch der dreigegliederte Hofgarten entschädigt mich. Und ganz besonders die Allee der Kirschbäume im Südteil. Die Zeit habe ich gut abgepasst. Es ist April und die japanischen Kirschbäume blühen. Noch mehr zum Strahlen kommt das rosarote Blütenmeer vor dem fast wolkenlosen blauen Himmel. So schlendere ich, von diesem Anblick verzaubert, unter den blühenden Bäumen entlang. Und es stört mich nicht die Bohne, dass ich mitunter Slalom laufen muss um die Stative von Hobbyfotografen oder den Selfie-Fans, die fürs Foto an den Blüten schnuppern.
Knaben raufen sich
Würzburgs Fürstbischöfe und ihr Personal hatten den Bogen raus, wie man einen Garten aufhübscht. Es entspannt, durch die drei Areale zu schlendern. Im Südteil gefallen mir vor allem die acht Eiben, die sich um ein rundes Wasserbecken formieren. Die Bäume sind in Kegelform geschnitten und bieten den darunter angeordneten mannshohen Skulpturen Schutz vor Sonne und Regen. Die bunten Blumenrabatten sind ein weiterer Blickfang.
Idylle pur auch im ansteigenden Ostteil des Hofgartens. Erwähnenswert sind hier die Laubengänge, die durch eingegliederte Öffnungen immer wieder einen anderen Blick auf die Residenz erlauben. Schmunzeln muss ich über eine der vielen Skulpturen: zwei pummelige Knaben sind am Raufen.
Blick in die Kirchen
Den Würzburger Dom hatte ich schon von der Aussichtsterrasse des Marienbergs entdeckt. Nun führt mich mein Spaziergang durch Würzburg direkt zu der geschichtsträchtigen Sehenswürdigkeit mit der eindrucksvollen Doppelturmfassade. Auch im Innern des Gotteshauses, das mit seinen knapp 110 Metern Länge das viertgrößte romanische Kirchengebäude Deutschlands ist, weiß der St- Kilians-Dom zu gefallen. Ebenso die anderen Würzburger sakralen Gebäude wie das Neumüster oder die weiß-rote Marienkapelle.
Unweit vom Dom stoße ich bei meinem Spaziergang durch Würzburg auf das Rathaus. Im Gegensatz zu anderen Rathäusern besteht dieses aus mehreren Gebäuden. Der älteste und höchste Teil ist der Grafeneckart. Erstmals 1180 urkundlich erwähnt, war der 55 Meter hohe Turm einst Sitz eines bischöflichen Beamten. Anziehender als den Turm finde ich allerdings den angebauten Seitenflügel. Auf dessen weißer Fassade grünt eine Linde. Natürlich ist der Baum nur aufgemalt, aber er dürfte zu den beliebtesten Foto-Motiven in der Altstadt zählen. Ich jedenfalls kann nicht widerstehen. Hübsch anzusehen sind auch der Erker und die Sonnenuhr.
Ein Schoppen auf der Brücke
In Würzburg gewesen zu sein und nicht am Frankenwein genippt zu haben, das ist zweifellos ein Frevel. Am Zünftigsten genießt man den Schoppen auf der Alten Mainbrücke, auf der mein Spaziergang durch Würzburg startete. Das 185 Meter lange Bauwerk mit seinen acht Bogenöffnungen verbindet die Altstadt mit der Festung Marienberg. 12 barocke Statuen aus Sandstein, jede etwa 4,50 Meter hoch, schmücken ähnlich wie auf der Prager Karlsbrücke den Überweg.
Direkt am Brückeneingang auf der Altstadtseite versorgt das Restaurant „Alte Mainmühle“ an einem Außenstand seine durstigen Gäste. Allerdings heißt es da Schlangestehen. Der Andrang ist groß. Dementsprechend wimmelt es auch auf der Brücken von Menschen, die ihr Weinglas in der Hand halten oder auf dem Brückengeländer abgestellt haben. Und die sich zuprosten, ein Schwätzchen machen oder die so wie ich gerade den Ausblick auf die Festung Marienberg, das Käppele und die Weinberge genießen. Während die Sonne glutrot untergeht. So verbinde ich zum Abschluss meines Spaziergangs durch Würzburg Kultur mit Genuss.
Wer gern auf Städtereisen geht und Schlösser besucht, dem kann ich die Albrechtsburg in Meißen sowie das Schloss Moritzburg bei Dresden (beide in Sachsen) empfehlen. Auch Schloss Friedenstein in Gotha (Thüringen) ist sehenswert, ebenso wie die Heidecksburg in Rudolstadt (ebenfalls in Thüringen). Den wohl schönsten Großen Wendelstein habe ich im Schloss Hartenfels in Torgau (Sachsen) gesehen. Als Barock-Juwel gilt das Schloss Delitzsch in Sachsen. In Sachsen-Anhalt lockt Schloss Köthen mit seinem schönen Spiegelsaal zum Besuch. Auch Bayern punktet mit sehenswerten Schlössern etwa in Nürnberg oder in Bamberg.
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