Am besten, ich mache es wie die Möwe. Ich verschaffe mir erst mal von oben einen Überblick über die alte Hansestadt. Danach ist Ausschwärmen angesesagt. Um die Hauptstadt Estlands zu entdecken. Fünf Tage nehme ich mir dafür Zeit. Und am Ende kann ich berichten, was sehenswert in Tallinn ist.
Drei Stunden im Meer
Beginnen möchte ich mit dem Ende. Dem Ende meiner Reise, die mich nach Tallinn führt. Die baltische Stadt ist die Hauptstadt Estlands. Mit einer Ausnahme erkunde ich Tallinn zu Fuß. Und an meinem letzten Reisetag tauche ich also ab ins Meeresmuseum. Das befindet sich im historischen Wasserflugzeug-Hangar (lettisch: Lennusadam). Drei Stunden später bin ich begeistert von dem, was ich hier gesehen, erlebt und gelernt habe. Denn nicht nur 200 originale Exponate kann der Besucher bestaunen, es gibt auch allerhand Mitmach-Stationen. Besonders Kinder wird’s freuen.
Stramm stehen fürs Foto
Gut, Flugzeuge muss man in der riesigen Halle mit der Flag nicht grad vom virtuellen Himmel holen. Dafür gibt es andere Kurzweil. Und Spaß für Groß und Klein ist garantiert, wenn man in eine Marineuniform schlüpft und für ein Foto posiert. Wer mag, mailt den Schnappschuss an eine gewünschte Adresse. Klar, dass ich nicht widerstehen kann und mir ein Matrosenkostüm fürs Erinnerungsfoto schnappe. Danach verweile ich noch ein wenig an der Fotostation, weil es amüsant ist zu beobachten, wie manche Knirpse fürs Foto mit ernstem Gesicht stramm stehen wie die Zinnsoldaten.
Durch die Luke geht`s nach unten
Das Highlight der in diffuses Blaulicht getauchten Halle ist zweifellos das U-Boot „Lembit„. Einsteigen ausdrücklich erwünscht. Oder richtigerweiseise gesagt: runterklettern. Durch die schmale Torpedo-Luke. Was einem im Rumpf des Eisentauchers erwartet, ist überaus interessant. Auch wer nicht so technikaffin ist, der wird zwischen all den Rohren und Leitungen, Armaturen und Ventilen ins Staunen geraten. Und vielleicht mag dem einen oder anderen in den Sinn kommen, wie strapaziös und gefährlich das Leben der Mannschaft unter der Meeresoberfläche auf engstem Raum gewesen sein muss.
Außerhalb des Hangars kann der Besucher weitere Schiffe sowie ein U-Boot besichtigen.
Vom Domberg in die Altstadt
Doch jetzt zum Anfang meiner Reise. Zu meinem ersten Tag in Tallinn. Der beginnt auf der Patkuli-Aussichtsplattform. Die liegt auf dem Domberg in der Oberstadt, wo einst Klerus und Adel wohnten. Von hier hat man wirklich einen malerischen Blick. Er reicht über die Unterstadt mit der herausstechenden weißen Olaikirche bis hin zum Kreuzfahrt- und Fährhafen der alten Hansestadt. Dort legen allmorgendlich die Kreuzfahrtschiffe an und alsbald fluten neugierige Passagiere die Stadt.
Irgendwann habe ich mich satt gesehen an dem Panorama. Ich steige die 157 Stufen der Patkulschen Treppe hinab in die Unterstadt. Bereit, wie die „Kreuzfahrer“, Tallinn zu erkunden. Seit 1997 gehört die Altstadt wegen ihres einmaligen, fast in Gänze erhalten gebliebenen mittelalterlichen Milieus zum Weltkulturerbe.
Bequemes Schuhwerk ist beim Stadtbummel übrigens von Vorteil. Denn der Weg führt immer wieder über das Kopfsteinpflaster verträumter Gässchen. Und die verdienen wirklich das Prädikat sehenswert in Tallinn. Zu schauen gibt es überall etwas. Und an allen Ecken buhlen hübsche Details um Aufmerksamkeit.
Alt und Neu in Harmonie
Doch nicht nur mit ihrer mittelalterlichen Bausubstanz bezaubert die Ostsee-Stadt. Sehenswert in Tallinn ist auch das harmonische Miteinander von Alt und Neu. Ich habe den Eindruck: Da wird nicht einfach Altes abgerissen, um Platz für Neubauten zu schaffen, sondern nicht mehr genutzte Speicher oder Fabrikgebäude dienen gern als Basis für moderne Aufbauten. Oder in die Jahre gekommenes Mauerwerk wird beinahe liebevoll von gläsernen Neubaufassaden ummantelt. Das garantiert nicht nur eine einzigartige Optik, sondern ist zugleich auch als eine Wertschätzung der Arbeit vergangener Generationen zu verstehen. Das gefällt mir.
Sehr schön kann man diese Harmonie von Alt und Neu im hippen Rotermann Viertel beobachten. Hier, im Herzen der Stadt, drängen sich viele Interessante Fotomotive buchstäblich auf. Willkommen ist man im Quartier übrigens auch zum Shoppen und zur Einkehr.
Auch die neue Skyline der baltischen Stadt, die dominiert wird von den Zwillingstürmen des Swissotels Tallinn, und die Neubauten präsentieren sich sehr ansprechend. Ich finde, das ist kein architektonischer Einheitsbrei, wie er mancherorts für meinen Geschmack leider allzu oft serviert wird.
Äste tragen Glashaus
Zwischen historisch und modern zeigt Tallinn dem Besucher viele Facetten. Von Jugendstil bis moderne Wohnblocks mit raumgreifenden Fassaden-Graffiti ist hier viel Sehenswertes versammelt. Einer meiner Gebäude-Favoriten ist ein modernes Haus. Dieses wird von Stützen getragen, die wie himmelwärts gerichtete kahle Äste anmuten. Klasse Idee.
Auch ansehnliche Kultureinrichtungen sowie etliche Denkmäler prägen das Stadtbild. Eines aus der Kategorie „gigantisch“ ist das Mahnmal „Die gebrochene Linie„. Die gewaltige, schlichte Metallkonstruktion soll an das Schiffsunglück der „Estonia“ erinnern. Junge Leute, so kann ich sehen, nehmen das in der Mitte über etliche Meter unterbrochene Denkmal gern im wahrsten Wortsinne in Besitz. Sie sitzen dort oben wie die Hühner auf der Stange und lassen die Beine baumeln.
Kanonenturm friedlich genutzt
Und was ist noch sehenswert in Tallinn? Um die Antwort zu finden, steige ich am nächsten Tag noch einmal auf den Domberg. Diesmal geht es vom Freiheitsplatz , der vom Freiheitsdenkmal des Unabhängigkeitskrieges dominiert wird, die Stufen nach oben. Foto-Pause mache ich am „Kiek in de Kök“ (Guck in die Küche). Das ist ein ehemaliger Kanonenturm aus dem Jahr 1475. Heute wird er freilich friedlich genutzt, denn hinter den mittelalterlichen Mauern wartet das Festungsmuseum auf Besucher.
Ein paar Schritte weiter bergauf, am südlichen Rand der Burg, kommt der Lange Hermann in den Blick. Der knapp 46 Meter hohe Wachturm gilt als national bedeutsam, denn wessen Flagge dort oben weht, der regiert das Land. Ich sehen, dass die blau-schwarz-weiße Flagge Estlands im Wind flattert. Ich lasse den Hermann links liegen und wenig später grüßt auch schon die Alexander-Newski-Kathedrale mit ihren fünf Zwiebeltürmen. Gegenüber liegt das Schloss mit seiner barocken Fassade. Hier residiert das estnische Parlament. Auch etliche Botschaften, darunter die von Deutschland, haben auf dem Domberg ihr Domizil. Anschauen kann man sich auch den Garten des dänischen Königs. Im kleinen Areal zwischen Stadtmauer und Unterstadt trifft der Besucher auf lebensgroße Mönch-Skulptuen.
Wenn die Kreuzfahrt-Touristen längst wieder an Bord sind, zieht auf dem Domberg Ruhe ein. Jetzt treffen sich Liebespärchen im Park oder genießen von der Aussichtsplattform den Sonnenuntergang. Nun ist auch Zeit für eine geführte Nachtwanderung auf historischen Spuren.
Begehrte Filmkulisse
Beim Bummel durch Tallinns Altstadt stößt man immer wieder auf die weitgehend erhalten gebliebene historische Stadtmauer, die bis zu 16 Meter hoch und zwei bis drei Meter dick war. Erhalten sind auch 26 Türme. Wer mag, kann einen alten Wehrgang entlanglaufen und das Innere der Wehranlage besichtigen. Spektakuläres ist allerdings nicht zu erwarten.
Sehenswerter ist da schon der Katharinengang. Der Zugang zur Passage kann leicht übersehen werden. Hat man ihn beispielsweise in der Vene-Straße gefunden, wähnt man sich in einer mittelalterlichen Filmkulisse. Und in der Tat: Der bei Touristen beliebte Gang war schon einige Male Drehort.
Verlassener Protzbau
Nach der Exkursion ins Mittelalter steuere ich das nächste Ziel an. Es ist die Linnahall. Die gewaltige Mehrzweckhalle, die einst 5000 Sitzplätze fasste, ist heute ein Lost Place. Hinein in den einstigen Kulturpalast kommt man nicht mehr. Wahrscheinlich wird es drinnen aber auch nicht besser aussehen, als draußen. Hier hat die Zeit den Beton bröckeln lassen. Auch Graffiti machen das protzige und wenig charmante Architekturdenkmal aus Sowjetzeiten nicht schöner. Nur wenige Neugierige verirren sich an diesen eher abstoßenden Platz. Obwohl das weitläufige Areal nahe dem Ankerplatz der Kreuzfahrtschiffe und des Fährhafens liegt. Doch die Passagiere zieht es nach dem Anlegen der Pötte lieber an anheimelndere Orte in der alten Hansestadt. Und da gehe ich nun auch wieder hin.
Türen auf!
Was ist noch sehenswert in Tallinn? Die Türen, so finde ich. Wenn man sich erst mal darauf eingeschossen hat, dann entdeckt man immer wieder neue interessante Hauseingänge. Farblich herausstechend, mit interessanter Geometrie und hübschen Details.
Auch den Fenstern sollte der Tallinn-Besucher hin und wieder einen Blick widmen, denn hinter den Scheiben tut sich Interessantes.
Schloss, Museum und Muschel
Nach meinen Streifzügen durch Tallinns Altstadt steht nun ein Abstecher nach Kadriorg auf dem Programm. Hier befindet sich das Schloss Katharinental. Von außen mache ich ein paar Fotos. Das im Gebäude befindliche Museum besuche ich nicht, stattdessen zieht es mich ins nahegelegene Kumo, einem stylischen Bau. Alte Meister sucht der Besucher des Kunstmuseums vergeblich, dafür kann er aber andere interessante Objekte besichtigen.
Nach dem Rundgang führt mich ein etwa 20-minütiger Fußmarsch durch einen Landschaftspark zur bekannten Chormuschel des Sängerfests in Tallinn. Man kann bis ganz nach oben in die letzte Reihe steigen. Hier kriegt man zur Belohnung einen Eindruck von dem gewaltigen Objekt. Und aus der Höhe kann man sich vorstellen, was für ein Bild das sein muss, wenn dort unten die Zuhörer und Mitsinger dicht an dicht stehen.
Schön Essengehen in Tallinn
An einladenden Restaurants und gemütlichen Cafés mangelt es in Tallinn nicht. Auch sie sind sehenswert in Tallinn. Eines hat mir wegen der originellen Ausstattung besonders gefallen – das China-Restaurant Tai Boh. Da zur Kaffeezeit noch wenig Betrieb herrscht, gestattet mir die freundliche Bedienung, auch in der ersten Etage einige Fotos zu machen.
Von außen sieht das Tai Boh so aus.
Und drinnen haut einen das bunte Sammelsurium der Einrichtungsgegenstände im Parterre und eine Etage höher glatt vom Hocker.
Und beim Abschied von Tallinn geht mein Blick noch einmal zum Domberg.
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