Die älteste und weltgrößte Rosensammlung befindet sich in Sachsen-Anhalt. Ein Meer an Blüten lockt jedes Jahr rund 100.00 Besucher an, die im Sommer auch jede Menge Kunst im Rosarium Sangerhausen bewundern können.
Duftende Schönheiten
Folge den Rosen. Den gelben. Die sind alle paar Schritte aufs Pflaster gemalt. Die Symbole zeigen den Weg vom Bahnhof in Sangerhausen zum berühmtesten Rosengarten Sachsen-Anhalts. Das ist der Tipp einer Freundin, bevor ich aufbreche in die Berg- und Rosenstadt. Und den befolge ich jetzt am frühen Vormittag. Rund eine halbe Stunde Fußmarsch später reihe ich mich in die Schlange an der Kasse ein. Für einen Wochentag ganz schön viele Besucher, denke ich, die sich die Kunst im Rosarium Sangerhausen anschauen wollen. Da werden wir uns wohl auf den Füßen rumtreten. Ein Irrtum, wie sich rausstellen wird.
Nachdem ich das Drehkreuz passiere und in den Garten trete, sehe ich, dass sich hier alles schnell verläuft. Was kein Wunder ist. Das Areal mit der weltgrößten und ältesten Rosensammlung streckt sich auf einem weitläufigen Hügel zwischen Südharz und dem Kyffhäuser. 13 Hektar soll das Gelände groß sein. Was ich gern glauben will, denn es gibt hier ganz schön zu laufen. Auf geraden und verschlungenen Wegen führt meine Entdeckungsreise durch den duftenden Garten.
Der mit Platten ausgelegte Hauptweg bringt mich direkt zu einem Highlight des Rosariums. Das ist eine sechs Meter hohe Rosen-Stele aus Metall. Geschaffen hat sie Gregor Doc Davids, ein Künstler aus Mühlheim an der Ruhr. Bevor ich mir die anschaue, gilt meine Aufmerksamkeit erst mal den vielen echten Rosen ringsum. Sie blühen in Weiß und Rosa, in Dunkelrot und Gelb. Sie bevölkern die zahllosen Beete, ranken sich an Spalieren empor oder schmücken lauschige Rastplätze.
Blickfang Mammutblatt
8.700 Rosenarten und -sorten sollen auf dem Gelände versammelt sein. Hatte ich vor meinem Besuch gelesen. 80.000 Rosenstöcke erblühen hier bis zum ersten Frost. Dazu verströmen 850 zu Pyramiden und Säulen gebundene Kletterrosen ihren betörenden Duft. Und da sind noch die vielen Wildrosen. Das Rosarium beherbergt übrigens auch die weltgrößte Sammlung dieser Art. Ab und an gönne ich mir eine Pause auf einer der vielen Bänke und genieße den prächtigen Anblick.
Inmitten der bunten Pracht buhlen auch die rund 300 seltenen Strauch- und Baumarten um Aufmerksamkeit. Am Sumpf, so ist das üppig grüne Areal auf der Gartenkarte ausgewiesen, fällt mein Blick auf eine stattliche Pflanze. Wie Riesen-Rhabarber sieht sie aus. Auf dem Schild daneben lese ich, dass hier ein Mammutblatt wächst. Die imposanten Blätter können einen Durchmesser bis zu sechs Meter erreichen. Toll, denke ich, und begutachte den interessanten Fruchtstand.
Regentrude im Rittersporn
Schon am Eingang habe ich sie bemerkt, die Skulpturen. Sie sind der Grund, warum ich meinen Besuch im Europa-Rosarium in den Juli verlegt habe. Denn mitten im Sommer lockt das Projekt „Rose trifft Kunst“. Es wurde 2020 ins Leben gerufen. In diesem Jahr findet die publikumswirksame Outdoor-Kunstausstellung also zum dritten Mal statt. Vom 1. Juli bis 20. August präsentieren diesmal 25 Kunstschaffende aus ganz Deutschland inmitten der Natur ihre Arbeiten. Über 250 Kunstobjekte aus Keramik, Stein, Metall, Glas, Gips und Holz sollen es sein. Am Ende meines Rundgangs habe ich sicherlich nicht alle entdeckt. Wohl aber den Großteil. Die in etlichen Blautönen leuchtende Regentrude etwa, die sich auf der Wiese hinterm blauen Rittersporn verstecken will. Oder die schönen Frauenbüsten aus Ton, geschaffen von Pauline Ullrich.
Schmunzeln muss ich über den Rasenmähermann. Der umkreist gerade mit seinem Gefährt einen Frauentorso mit üppigen Brüsten. Als der Gartenarbeiter den Rasenmähertraktor abstellt und zur Mittagspause geht, traue ich mich näher ran an die unvollendete Dame.
Fee aus Ziegelsteinen
Mein Favorit im Skulpturen-Gerangel ist die Rosenfee. Diplom-Keramikerin Dörte Michaelis hat Ziegelsteine zu einer originellen Plastik zusammengefügt. Damit ist ihr wirklich ein dekoratives Kunstobjekt gelungen. Das könnte ich mir gut in meinem Garten vorstellen. Natürlich in etwas kleinerer Ausführung. Weil ich hier kein Preisschildchen wie bei anderen Kunstobjekten sehe, vermute ich, dass die schöne Fee zur festen Installation im Sangerhäuser Gartenparadies gehört.
Hingucker aus Bronze und Stahl
Mehrere Objekte der diesjährigen Outdoor-Kunstschau im Rosarium Sangerhausen hat auch Norbert Wilting beigesteuert. Sein Kunstwerk „Dreisamkeit“ etwa ließ der Künstler aus Rhede so aufstellen, dass der Betrachter sowohl des Objekt bewundern kann und zudem die Abraumhalde „Hohe Linde“ im Blick hat.
Wiltings Exponate sind eine Synthese aus Bronze – vergoldet -, Stahl und Lava. Aus seiner Werkstatt stammen auch die farbenfrohen Baumwächter, die sich im Park an einige Stämme klammern. Oder wollen sie in die Wipfel klettern? Wie auch immer: Sie sehen witzig aus.
Balanceakt überm Blumenmeer
Gefallen finde ich auch an den filigranen Figuren aus Edelstahl und Kupfer von Alfred Arnold. Sie balancieren auf dünnem Draht über ein Blumenmeer. Der Anblick erinnert mich irgendwie an Insekten, die über eine Sommerblumen-Wiese summen.
Ein Stück weiter werde ich durch Glitzern auf mehrere Skulpturen aufmerksam. Beim Näherkommen sehe ich, dass es ein achtteiliges Ensemble ist. Es sieht aus wie aufgespießte Früchte. Für die 130 bis 215 Zentimeter hohen Objekte hat der Künstler Ulrich Precht Glas, Blattgold und Edelstahl verwendet. Von Vorteil ist, dass der Besucher im Rosarium Sangerhausen den Rasen betreten darf. So kann auch mich anhand des Schildchens schlau machen, wie Precht sein Exponat genannt hat: nämlich „Seltene Wildformen“. Passt!
Knallrote Riesen-Tomaten
Kunst fördert die Kommunikation der Betrachter. Was ich an einem weithin knallrot leuchtenden Objekt erfahre. Es sieht aus wie eine Tomatenpflanze mit vier überdimensional großen Früchten. Der Anblick erinnert eine Besucherin an die eigenen Pflanzen. Deren Blüten haben in diesem Jahr wohl durch Kälte gelitten, erzählt sie ihrer Begleiterin. Die wiederum empfiehlt: „Wenn’s mit der Ernte nicht hinhaut, dann nimmst du eben die hier“ und zeigt auf die Tomatenkreation aus Glas und geschmiedetem Stahl von André Kestel aus Halle.
Die Kombination von hartem Stahl und zerbrechlichem Glas haben auch andere Künstler inspiriert. So wachsen im Rosarium Stelen mit farbigem Glasbildern wie Pilze aus dem Boden.
Kunst von Natur und Mensch geschaffen
Ganz dem Metall hat sich Hans Kordes aus Verl verschrieben. Seine überdimensionalen Stahlskulpturen locken zum Näherkommen. Die rostfarbenen Figuren passen gut in den Landschaftsgarten. Die Forelle ist 1,50 Meter hoch, der Riesen-Schmetterling 2 Meter. Größenmäßig den Vogel schießt Kordes` Rosen-Kreation ab. Sie misst stattliche drei Meter. Beim Betrachten wird mir klar, was Kunst im Rosarium Sangerhausen bedeutet: Hier ist der Ort, wo die Kunst, die die Natur schafft, auf die künstlerischen Kreationen des Menschen trifft. Sehr gelungen.
Träume aus farbigem Glas
Begeistert bin ich auch von den Träumen aus Metall und Glas. Inka Dybus und Heike Jäger sind da wirklich tolle Objekte gelungen. Echte Hingucker zwischen all dem Grün. Auch Hartmut Reiser steuert interessante Ideen zur Kunst im Rosarium Sangerhausen bei. Die Lampe Bella Rosa etwa, ein Unikat aus Thüringer Marmor, gefällt mir am besten. Auch Reisers ausgestellten Bänke sind witzig. Ob man drauf sitzen darf, weiß ich jetzt nicht so recht. Deshalb mache ich lieber ein Päuschen auf einer Bank unterm Kletterrosendach. Sitzplätze im Rosarium gibt es übrigens zuhauf. Das finde ich sehr angenehm.
Frau zwischen Fuchsien
Ebenfalls gut besucht im Sangerhäuser Rosenparadies ist die Ausstellungshalle mit den darin präsentierten kleinen Kunstobjekten. Sowie das Areal ringsum. Wie viele Besucher zieht es auch mich zu den dort aufstellten Skulpturen. Die Into Africa Skulpturengalerie Wernsbach hat für die dritte Veranstaltung „Rose trifft Kunst“ einige sehenswerte Objekte zeitgenössischer afrikanischer Kunst beigesteuert. Die talentierten Künstler stammen aus Zimbabwe. Ihre Arbeiten zeigen, was man alles aus Stein kreieren kann. Die Mutter, die ihr Kind küsst, und die selbstvergessene junge Frau inmitten von Fuchsien-Töpfen gefallen mir am besten.
Kaiserin wieder auferstanden
Beim Betrachten einer stattlichen Frauenskulptur vor niedrigem Gehölz tauche ich kurz in die Vergangenheit ein. Die steinerne Dame stellt die deutsche Kaiserin Auguste Viktoria dar. Sie war dereinst die Schirmherrin des Vereins Deutscher Rosenfreunde. Ein Apotheker aus Wernigerode hat die Büste 1913 dem Rosarium gestiftet, erfahre ich auf nebenstehender Tafel. Da ist auch zu lesen, dass das Denkmal zu DDR-Zeiten den Funktionären ein Dorn im Auge war. So sollte es 1950 entfernt werden. Doch ein Gärtner vergrub die Skulptur im Rosarium. 33 Jahre später wurde sie aus dem Versteck geholt. Seit 2001 steht die Kaiserin wieder auf ihrem ursprünglichen Platz. Und dort begegne ich Auguste Viktoria jetzt. Ich schaue sie an, wie sie lächelnd zum Stadteingang des Rosariums blickt und dabei ein Rosensträußchen an ihr Dekolleté drückt.
Auch andere Skulpturen, die offensichtlich zum Inventar gehören, entdecke ich beim Schlendern durch den Rosengarten. Etwa die drei Pelikane. Oder die Büste des schönen Apollos. Leider hat der Künstler uns den Rest vorenthalten.
Bunter Abschiedsgruß aus Schubkarren
Von der Kaiserin und Apollo ist es nur ein Steinwurf bis zur Märchensäule und dem Pfennigteich. Und damit bin ich am Ende meines Gartenbesuchs. Zum Abschied gibt es kurz vor dem Ausgang noch einen schönen Blumengruß. Aus sechs Schubkarren quillt ein Meer an bunten Sommerblühern, hübsch arrangiert. Kunst im Rosarium Sangerhausen eben.
Und nun folge ich wieder den Rosensymbolen. Sie führen mich zurück zum Bahnhof.
Weitere Ausflugstipps
Wer gern in der Natur wandert, dem sei der Wörlitzer Park in Sachsen-Anhalt empfohlen. Ein Ausflug zum Schloss Köthen in Sachsen-Anhalt lohnt ebenfalls. Der renovierte Spiegelsaal ist eine Augenweide. Interessant ist auch der Besuch des Witwenschlosses in Delitzsch (Sachsen). Ebenfalls in Sachsen, nämlich in Torgau, kann man sich das Schloss Hartenfels mit seinem einzigartigen Großen Wendelstein anschauen. Ein schönes Ausflugsziel nicht nur für Fans des Kult-Films „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ist das Schloss Moritzburg bei Dresden. Als gute Adresse für eine Zeitreise kann ich das Barockschloss Friedenstein in Gotha (Thüringen) nennen. Hier dürfte nicht nur das Ekhof-Theater für Staunen sorgen. Einmal in Thüringen, können Ausflügler gleich noch die Heidecksburg in Rudolstadt erobern. Für die dortige Miniaturausstellung von barocken Schlössern sollte man sich unbedingt Zeit nehmen.
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