Der Festsaal im Residenzschloss Heidecksburg in Rudolstadt ist ein Kleinod des Rokokos. Die Deckenbemalung des prunkvollen Saals entstand in nur vier Wochen. Der Balkon, gestützt von vier Atlanten, war der Hofkapelle vorbehalten.
Aufstieg auf den Felssporn
Links oder rechts? Das ist hier die Frage. Das mit der Mitte hat sich sofort erledigt. Denn ein Schild weist darauf hin, dass dieser der drei Wege hoch zum Residenzschloss gesperrt ist. Ich wähle also den linken Aufstieg zur Heidecksburg, weil ich vermute, da geht es locker flockig nach oben. Stimmt nicht. Hätte ich aber auch gleich wissen können. Denn wenn das Gebäude 60 Meter über dem Altstadtkern von Rudolstadt auf einem Felssporn liegt, dann ist es eben nicht leichtfüßig zu erreichen.
Aber keine Sorge. Der gut befestigte Weg stellt auch für weniger Sportliche keine Hürde dar. Und sollte jemand doch außer Puste geraten: Es gibt immer mal wieder Stellen, wo man ein wenig verschnaufen und die Aussicht aufs thüringische Rudolstadt genießen kann. Ohne bei den anderen Treppensteigern in Verdacht zu geraten, man sei nicht fit.
Auf dem Plateau angekommen, grüßt die weiß-gelbe Fassade des Residenzschlosses. Die offene Tür im taubenblauen Tor signalisiert, dass Besuch willkommen ist bei den heutigen Hütern des Schatzes der Hausherren von damals. Das waren die Fürsten von Schwarzburg-Rudolstadt.
Im Kassenbereich empfangen mich die steinernen Büsten von zwei makellosen lockigen Jünglingen. Beim Schlossrundgang habe ich Gelegenheit, noch weitere Skulpturen zu fotografieren.
Engel beleuchten Schäferstündchen
Die Porzellan-Ausstellung im Parterre schaue ich mir nur kurz an, weil es mich sofort in die fürstlichen Räume zieht. Diese liegen in den Obergeschossen der Heidecksburg in Rudolstadt. Einer der bemerkenswerten Räume, so finde ich, ist das Tapetenzimmer. Blickfang hier ein drei Wände füllendes Sittengemälde der damaligen Zeit. Es zeigt Szenen aus dem vergnüglichen Alltag mit Schäferstündchen einer illustren Gesellschaft. Vor der kostbaren Wand-Deko wurden zwei schnörkelreiche Betten aufgestellt. Grün sind sie und sie wirken angesichts ihre Größe beinahe wie Puppenbetten. Hübsch sind die links und rechts auf Podesten stehenden goldenen Engelchen. Aus den Füllhörnern, die sie tragen, winden sich Kerzenhalter.
An das Tapetenzimmer schließt sich das Damenschreibzimmer an. Blickfänge im kleinen zweckorientierten Raum sind der üppig dekorierte Spiegel sowie der Deckenleuchter aus Porzellan.
Jagdszenen auf der Stuckdecke
Jetzt gelangt der Besucher über das Goldene Zimmer und den Blauseidenen Salon in das Delmenhorster Gemach. Beim Betreten kommt sofort die aufwändig gestaltete Stuckdecke in den Blick. Dreigeteilt zeigt sie Jagdszenen aus der Mythologie. Irgendwo hatte ich mal gelesen, dass das Gemach der Grafenfamilie von Baby während ihres Rudolstädter Exils als Hofstube diente. Ein Schwenk nach links und schon befindet sich der Besucher im Amorzimmer. Dem folgt die Oldenburger Galerie mit einem sehenswerten Schrank und etlichen Gemälden.
Attraktives Doppel in Rot
Das Ende des Rundgangs in der ersten Etage führt mich wieder ins Treppenhaus. Die Museumsaufsicht weist nach oben. Dort warten die festlichen Säle. Festlich ist in dem Falle wirklich keine Übertreibung, wie ich sogleich feststelle. Im Roten Eckkabinett wie auch im Roten Saal, der für Audienzen genutzt wurde, findet das Auge zunächst kaum Halt angesichts der Üppigkeit. Doch dann schälen sich die kunstfertigen Details heraus. Vor allem die Deckenbemalung buhlt um Aufmerksamkeit. Auch die Bodengestaltung ist ein echter Hingucker.
Beschwingtes Rokoko
Nach dieser Farb-Explosion in Rot kommt der Höhepunkt der Räumlichkeiten in der Heidecksburg in Rudolstadt. Ich betrete den Festsaal. ErMarock ist übrigens der einzige Raum im Schloss-Ensemble, der über zwei Etagen reicht. Barocke, raumgreifende Musik vom Band begrüßt mich.
Und ich bin erst mal sprachlos über die überbordende Optik, die mich fast erschlägt. Zwar gefällt mir das moderne Gestühl im Rokoko-Saal nicht. Aber ich nutze es, um mich erst mal zu setzen. So kann ich die prächtige Kulisse auf mich wirken lassen. Und alles in Ruhe betrachten.
Als erstes fällt mir auf, dass der Raum keine Ecken hat. Statt dessen gibt es konkave und konvexe Wandschwünge. Colani, den deutschen Star-Designer und Vertreter des runden, gefälligen Designs, würde es freuen. Arkaden sehe ich und Logen. Und über dem Haupteingang einen etwas in den Saal schwingenden Balkon. Der wird von vier Atlanten gestützt und diente, so ist zu erfahren, der Hofkapelle für ihre Auftritte.
Eine Augenweide ist das Deckenfresko. Es zeigt den im Olymp versammelten Götterrat. Das Gemälde entstand 1744 in nur vier Wochen.
Weil oftmals Bilder mehr ausdrücken können als Worte, lasse ich an dieser Stelle einige meiner Fotos sprechen.
Rätselhafte Akustik
Weiter geht es in den Grünen Saal. Wo die fürstliche Gesellschaft einst speiste und musikalischen Darbietungen lauschte, kann heute geheiratet werden. Ich habe Glück, dass ich erst am frühen Nachmittag mit dem Schlossrundgang starte. Denn vormittags, so berichtet die Museumsaufsicht, gab es zwei Eheschließungen. Da hätte ich den Grünen Saal nicht betreten können. Und auch ein besonderes Erlebnis wäre mir entgangen im dahinter liegenden Grünen Eckkabinett.
Denn dieser Raum verfügt über eine besondere Akustik. Weil, so lese ich auf einer Tafel, der Boden zur Mitte hin leicht nach innen gewölbt ist. So konnten die Musiker im Zentrum des Kabinetts damals schon einen geringfügigen Nachhall der Töne erreichen. Das muss ich sofort ausprobieren. Ich nutze die Gelegenheit, dass außer mir niemand im Raum ist und spreche im Zentrum des Kabinetts laut ein paar Worte. Und tatsächlich: Der Nachhall meiner Stimme ist deutlich zu hören.
Das ist das Grüne Eckkabinett mit dem Nachhall-Effekt. Für das Foto (unten) befand ich mich fast an der Stelle, von wo aus man den Effekt erzielen kann.
Frierende Frau in der Ecke
Vom Grünen Eckkabinett geht es zurück in den Grünen Saal und von dort nach links in das Bänderzimmer. Die dunkelgrüne Leinwandtapete ist mit Blumenranken verziert und mit ovalen Porträts geschmückt. Blickfang sind Skulpturen. Und ein Hinweis, dass es im Residenzschloss im Winter bitterkalt gewesen sein muss, gibt die verhüllte Skulptur „Die Frierende“ in einer Ecke. Man bekommt fast Mitleid. Auch die anschließende Marmorgalerie, das Weiße Zimmer sowie die Bildergalerie bieten etliche Fotomotive.
Erwischt bei amourösen Abenteuern
Wieder im Parkett angekommen, zieht es mich zu einem Highlight der besonderen Art. Freunde hatten empfohlen, mir die „Schlösser der gepriesenen Insel“ in der Heidecksburg in Rudolstadt anzuschauen. Weil die wirklich eine Schau sind. Und ich kann das bestätigen.
Zehn Phanasie-Schlösser en Miniatur sowie etliche Bauten ziehen den Betrachter sofort in ihren Bann. Die Schlösser sind dem Barock entsprechend komplett eingerichtet. Dazu gibt es Tausende von filigranen Figuren in historischen Kostümen. Die kann man dabei beobachten, wie sie ihren höfischen Alltag meistern. Es sind köstliche Szenen in prächtigen Miniaturschlössern, die Gerhard Bätz und Manfred Kiedorf in 50-jähriger Arbeit im Maßstab 1:50 schufen. Und ab und an erwischt der Voyeur die kleinen Gestalten bei ihren amourösen Abenteuern.
Einen Gutteil Zeit für die bewundernswerte Präsentation im Erdgeschoss sollte der Besucher einplanen, weil man sich einfach nicht sattsehen kann und immer wieder neue Details entdeckt. Empfohlen sei auch das kleine Begleitbüchlein zur Schau „Rococo en miniature“. Man kann es an der Museumskasse erwerben.
Kaffee mit Ausblick
Nach so viel Sehenswertem – dazu gehören auch die Waffensammlung und das Naturalienkabinett – meldet sich der Magen. Auf dem Weg zum Schlosscafé nutze ich die Gelegenheit, noch ein paar Fotos vom Innenhof der Heidecksburg sowie dem prächtigen Renaissanceportal zu machen. Dann, im Café, genieße ich Kaffee und Kuchen mit schöner Aussicht auf Rudolstadt.
Lohnender Abstecher
Zum Abschluss meines Besuchs der Heidecksburg in Rudolstadt schlendere ich noch ein wenig durch die thüringische Stadt. Die für Wandersleut‘ und Radtouristen sicher ein lohnendes Ziel ist.
Touristische Infos über Rudolstadt gibt es hier. Weitere Auskünfte über die Heidecksburg erhält man hier.
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