Riga gilt als die Hauptstadt des Jugendstils. Hier kann der Besucher etwa 800 Beispiele dieses überaus kreativen Architektur-Zeitalters besichtigen. Dieser überbordende Fassadenschmuck trägt in vielen Fällen die Handschrift des Architekten Michail Ossipowitsch Eisenstein. Aber nicht nur wegen des Jugendstils lohnt es, das schmucke Riga zu besuchen.
Altstadt nur für Fußgänger
Es muss nicht immer Paris sein. Oder London oder Wien oder Prag. Auch andere europäische Länder haben schöne Hauptstädte. Etwa die baltischen Staaten. Also warum sich nicht mal nach Osten wenden und das schmucke Riga besuchen?
Die lettische Hauptstadt erreicht man mit dem Flieger von Berlin aus in nur eineinhalb Stunden. Die größte Stadt des Baltikums ist überschaubar. Und für Touristen, die weniger auf lange Fußmärsche programmiert sind, ideal zu erkunden. Von Vorteil ist, dass die Altstadt den Fußgängern vorbehalten ist. Da kann man sich voll auf die Sehenswürdigkeiten konzentrieren.
Blick auf Spielzeughäuser
Zunächst macht es Sinn, sich einen Überblick zu verschaffen. Schöne Ausblicke auf das schmucke Riga gibt es von verschiedenen Aussichtspunkten aus. Ich kann drei empfehlen.
Nur einen Steinwurf vom sehenswerten Zentralmarkt befindet sich das Hochhaus der Wissenschaftsakademie. Das Gebäude versprüht den Charme vergangener Sowjetzeiten. Was jedoch nebensächlich ist. Eine Fahrstuhlfahrt später breitet sich dem Besucher von der Aussichtsplattform in 90 Metern Höhe Riga mit seinen Sehenswürdigkeiten aus. Von unten grüßt die gelbe Alexander-Newski-Kirche. Auch die grazile 625 Meter lange Vansu-Brücke über die Düna (Daugava) kommt in den Blick. Und ein Gewimmel von spielzeugkleinen Häusern mit ihren roten Dächern leuchtet herauf. Bei diesem Anblick kann man schon eine Zeit verweilen und ein paar Erinnerungsfotos schießen.
Schöne Aussicht mit Drink
Wer die Aussicht lieber genießen will, ohne dass ihm der Wind um die Ohren pfeift, pilgert zum Radisson Blu Hotel. In der 26. Etage befindet sich die rundum verglaste schicke Skyline Bar. Hier bestellt man zur schönen Aussicht auf die prächtige Geburtskathedrale und das Freiheitsdenkmal noch einen Drink dazu. Oder einen Cappuccino. Oder beides.
Gewusel auf dem Dach
Versorgung ist auch garantiert auf der Dachterrasse des Einkaufszentrums Galleria Riga. Zwar ist die Aussicht mit einem Glas Wein in der Hand nicht so spektakulär wie von der Skyline Bar, aber ich fand es hier am gemütlichsten. Weil auch das frühlingshafte Wetter mitspielte. Und weil viel Jungvolk rumwuselte und für eine angenehme Atmosphäre sorgte. Auch das weitläufige Flachdach wurde von den jungen Leute bevölkert.
Junge Frau mit drei Sternen
Das schmucke Riga aus der Vogelperspektive: Teil 1 der Stadtbesichtigung ist abgehakt. Nun kann die Tour durch die Straßen und Gassen der lettischen Metropole beginnen. Beispielsweise zu einem Highlight der modernen Architektur. Das ist die Lettische Nationalbibliothek am Ufer der Daugava gegenüber der Altstadt. Irgendwie sieht das Gebäude aus wie ein vor Anker gegangenes Kreuzfahrtschiff. Die Nase habe ich mal reingesteckt in den 13-Geschosser. An einer Führung nahm ich allerdings nicht teil. Weil anderes lockte.
Zu den Sehenswürdigkeiten der Hafenstadt gehören auch das Schwarzhäupterhaus und das 42 Meter hohe Freiheitsdenkmal. Als ich die himmelstrebende junge Frau mit den drei Sternen in der Hand auf dem Sockel sah, kam mir sofort die Freiheitsstatue in New York in den Sinn. Übrigens lohnt ebenso ein Abstecher zu den Rigaer Holzhäusern. Anschließend kann man prima in der Stadt verschnaufen. Überall locken gemütliche Cafés und Restaurants zur Einkehr.
Schreiende Fratzen und Dämonen
Riga punktet mit interessanter Architektur. International bekannt ist die alte Hansestadt aber für ihre vielen Jugendstil-Bauten. Die wohl prächtigsten der etwa 800 Jugendstil-Gebäude findet man in und um die Alberta iela, etwas nördlich der Altstadt gelegen. Hier hat sich seinerzeit auch der russische Bauingenieur und Architekt Michail Ossipowitsch Eisenstein im wahrsten Wortsinn ausgetobt. Manche nennen seine Häuser mit den schreienden Fratzen und Dämonen Alpträume aus Stuck.
Alptraum oder Augenweide
Alptraum oder Augenweide? Diese Frage mag jeder für sich beantworten. Mir jedenfalls gefielen die überbordenden Elemente sehr, weil sie von Eisensteins Phantasie, von seiner Meisterschaft und von Verspieltheit zeugen. Und weil sie das Gegenteil von den teils schmucklosen Baukästen der Neuzeit sind. Mehr als 50 vom „verrückten Zuckerbäcker“ (Eisensteins eher abwertender Spitzname in der Branche) entworfene Gebäude sind in Riga zu besichtigen. Darunter das Haus in der Elisabeths iela 10 (obere Reihe rechts). An den Details konnte ich mich einfach nicht satt sehen. Und mir kam ein Bericht in den Sinn, wonach für Eisenstein die Optik immer die erste Geige spielte. Akribisch plante und zeichnete er die Fassaden, scheinbar nebensächlich schien ihm das Innere der Gebäude. Also wie die Menschen in den Häusern wohnen würden.
Bevor ich an die lettische Ostsee reiste, hatte ich mir einige Jugendstil-Gebäude in Prag, Wien und Lissabon angeschaut. Sie gefielen mir wirklich. Doch nachdem ich fünf Tage durch die zauberhafte Stadt an der Düna-Mündung schlenderte, war und ist für mich unangefochten Riga die Hauptstadt des Jugendstils. Hier befindet sich die weltweit größte Ansammlung von Gebäuden dieser phantasiereichen Architektur-Epoche.
Prachtvolles Treppenhaus
Auch ein Blick in die Gebäude lohnt sich. Hier warten viele Details auf den Betrachter. Beim Besuch des Jugendstil-Museums etwa faszinierte mich diese prächtige Treppe. Das erste Foto zeigt den Blick nach oben. Für das untere Bild stieg ich bis unters Dach und staunte über die völlig andere Optik. Man denkt, man ist in einem anderen Treppenhaus.
Fotogene Giebel
Beim Bummel durch die Hauptstadt des Jugendstils empfiehlt sich immer mal wieder ein Blick nach oben. Denn viele der Gebäude gipfeln in sehenswerten Schmuck-Giebeln. Brüllende Löwen stehen stolz auf breiten Sockeln. Geflügelte Wesen haben sich die besten Positionen auf schmalen Podesten erobert. Medusenartige Gesichter blicken furchterregend nach unten. Auf die wimmelnden Touristen, die im Foto-Wahn scheinen und auf dem Trottoire um die besten Positionen rangeln. Auch die mit mannshohen Skulpturen verzierten Fenster sind eine Augenweide.
Black Balsam zum Abendrot
Am Ufer der Düna verabschiedet sich der Tag in der Hauptstadt des Jugendstils mit einem herrlichen Sonnenuntergang. Nun ist Zeit, sich einen Platz in einem der Restaurants zu suchen. Von urig bis schick reicht die Palette. Die lettische Küche ist lecker. Und zum Abschluss der Reise prostet man sich mit einem Black Balsam zu. So heißt der traditionelle Kräuterlikör. Aber Vorsicht! Nicht zu tief ins Glas schauen. Denn das aus Kräutern, Beeren, Blüten und Ölen hergestellte süffige Getränk hat einen Alkoholgehalt von 45 Prozent.
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