Spaziergang durch Celle - die Stechbahn ist ein Magnet für alle, die Fachwerk lieben

Das größte zusammenhängende Fachwerk-Ensemble Europas kann der Besucher bei einem Spaziergang durch Celle kennenlernen. Der Bummel durch enge Gassen und über malerische Plätze der Altstadt ist wie eine Reise durch die Zeit. Zudem lädt das Celler Schloss zu einem Besuch ein. Hier einige Tipps für Entdeckungsfreudige.

Plaudernde Laternen

Wie krass ist das denn? Bei meinem Spaziergang durch Celle erlebe ich etwas, das mir noch nirgendwo begegnet ist. In der Runde Straße/Ecke Poststraße in der Altstadt sind grad Laternen mitten im Gespräch. Das kann doch wohl nicht wahr sein, zweifle ich an meiner Wahrnehmung. Ist es aber. Die fünf Metallkonstruktionen, eine ist etwa einer Oma am Stock nachempfunden, plaudern munter miteinander. Die Schnatter-Runde, wird mir schnell klar, funktioniert allerdings nur dann, wenn sich ein Passant in der Mitte der sprechenden Laternen postiert. Die Unterhaltungen sind zeitlich limitiert. Und mittags wie auch in der Nacht ist Funkstille für die quasselnden Lichtfiguren.

Bei einem Spaziergang durch Celle stößt man auch auf fünf sprechende Laterne

Kompakter Altstadt-Kern

Das sprechende Quintett ist eine witzige touristische Idee. Doch auf meinem Spaziergang durch Celle will ich in erster Linie die Fachwerkhäuser sehen, für die die Altstadt bekannt ist. Fast 500 sollen es sein, die mehrere Jahrhunderte überdauert haben und die einen kompakten Altstadt-Kern bilden. Gut saniert und echte Hingucker. Ohne Zweifel. Und vor einem der Schmuckstücke stehe ich gerade. Es ist das prächtige Hoppener Haus. Mit seinen sechs übereinander kragenden Stockwerken, dem filigranen Schnitzwerk und der farbenfroh bemalten Fassade gilt das Gebäude als Paradebeispiel der Fachwerk-Architektur der Renaissance. Gern würde ich einen Blick werfen auf die viel gerühmten tollen Ornamente. Doch die Fabelwesen, Fratzen, Reptilien und andere Konsorten verbergen sich hinter grünen Planen. Die Fassade des 1532 erbauten Hauses wird nämlich grad saniert.

Architektonische Perlen

Meine Enttäuschung währt allerdings nur kurz. Zum Grämen gibt es keinen Grund. Weil in der Altstadt so viele historische Gebäude zu bestaunen sind. Weite Wege muss man in diesem „Freilichtmuseum“ nicht gehen, um die architektonischen Perlen der beschaulichen niedersächsischen Stadt in Augenschein zu nehmen. Denn auf relativ engem Raum schmiegt sich hier Fachwerk an Fachwerk. Und zwar lückenlos. Damit zählt die welfische Residenzstadt zu den dichtesten, geschlossenen Fachwerk-Ensembles der Welt. Und ist ohne Frage eine Perle auf der Deutschen Fachwerkstraße.

Spaziergang durch Celle - Fachwerk reiht sich in der Altstadt an Fachwerk

Fachwerk-Perlen mit schönen Ornamenten

Bei meinem Spaziergang durch Celle verzichte ich bewusst auf einen Stadtplan. Vielmehr lasse ich mich treiben von einer verwinkelten Gasse zur nächsten, von einem lauschigen Platz zum anderen, von Haus zu Haus. Kein Gebäude gleicht dem anderen, stelle ich schnell fest. Die Fachwerk-Schönheiten haben unterschiedliche Breiten und Geschosshöhen, variieren in Dachneigungen und Fenstergrößen. Dass manche Balken schief sind, stört das harmonische Gesamtbild keineswegs. Denn alles wirkt auf mich irgendwie bunt, fröhlich, verspielt und einzigartig. Man kann sagen, die historischen Bauten fügen sich ähnlich wie ein Puzzle zu einem lebendigen und wirkmächtigen Stadtbild zusammen.

Gebote auch Schriftbalken

Die Häuser gefallen durch schöne Erker und immer wieder durch eine sehenswerte Fassadengestaltung. Dazu gehören neben Farbvielfalt unter anderem Treppenfriese, aufwändiges Schnitzwerk, schöne Ornamente und allerlei schmückende Details. Schriftbalken, mitunter ziemlich schief, vermelden gottesfürchtige Gebote aus mittelalterlicher Zeit. Bei manchen Inschriften muss ich echt schmunzeln. Auch lese ich immer wieder die Namen von Bauherren und Bauzeiten. Oder die Jahreszahl ihrer aufwändigen Sanierung in neuerer Zeit.

Schöne Schnitzereien an einem Fachwerkhaus in Celle
Spaziergang durch Celle - mit schönen Ornamenten verziertes Fachwerkhaus
Spaziergang durch Celle - Treepmfriese schmücken die Fachwerkhäuser der Altstadt

Hübsche Details

Meinen Spaziergang durch Celle empfinde ich wie eine Zeitreise. Ich sehe und ahne, wie vor vielen Jahren gebaut und gelebt wurde. Doch nicht nur das schöne Fachwerk ist eine Augenweide. Es lohnt auch, den vielen kleinen Dingen seine Aufmerksamkeit zu schenken. Denn von den hübschen Details gibt es in der liebenswerten Stadt am Südrand der Lüneburger Heide mehr als genug zu sehen.

Schnitzerei mit Kuh an einem Fachwerkhaus in Celle

Fachwerk-Oldy in Grün

Mein Spaziergang durch Celle führt mich auch zum ältesten noch bewohnten Fachwerkhaus der Stadt. Es steht am Heiligen Kreuz 26 und stammt aus dem Jahr 1526. Einen schönen Kontrast zu dem grünen Fassadenanstrich bilden die goldgelben gotischen Ornamente. Beim Betrachten des etwas schiefen Oldies registriere ich erstmals, dass in Celles Fachwerk jeweils in der unteren Etage Fachgeschäfte, Restaurants und Cafés ihren Platz gefunden haben. So wird mein Spaziergang durch Celle gleichzeitig zum Schaufensterbummel.

Bei einem Spaziergang durch Celle kommt man auch am ältesten noch stehenden Fachwerkhaus vorbei

Schule in schmaler Gasse

Für meinen Geschmack eine der schönsten Fachwerk-Gassen der Stadt, durch die mich mein Spaziergang durch Celle führt, ist die Kalandgasse. Celles kleinste und älteste Gasse geht von der Kanzleistraße an der Stadtkirche vorbei zur Stechbahn. Am Beginn der Gasse fällt vor allem die 1602 errichtete Alte Lateinschule in den Blick, in der bis ins 19. Jahrhundert hinein Schüler u. a. in Latein unterrichtet wurden. Die Fassade des Gebäudes mit dem reichen Schnitzwerk lässt sich frontal ziemlich schwer fotografieren. Was daran liegt, dass die Gasse so schmal ist. Aber die vielen schönen Details kriegt man auf alle Fälle aufs Bild.

Barocke Orgel

Mehr Spielraum zum Fotografieren habe ich in der 1308 geweihten Stadtkirche St. Marien. Die ist ungefähr so alt wie Celle selbst. Im 17. Jahrhundert, so ist zu hören, wurde das Gotteshaus mit kostbaren barocken Stuckaturen verziert. Hingucker sind der aus dem Barock stammende Hochaltar sowie die barocke Orgel. Wer hoch hinauf möchte, kann das tun. So um die 235 Stufen führen zur Aussichtsplattform des Kirchturms. Aus einer Höhe von 52 Metern soll man einen tollen Blick über die Dächer der Altstadt und ins Celler Umland haben. Das zu überprüfen, steht mir jetzt nicht der Sinn. Ich bleibe lieber auf dem Boden und setze auf Erden meinen Spaziergang durch Celle fort.

Bummel auf der Stechbahn

Während mein Besuch der gotischen Hallenkirche nur eine Stippvisite ist, lasse ich mir mehr Zeit beim Bummeln auf der angrenzenden Stechbahn. Was kein Wunder ist. Denn auf dem ehemaligen Turnierplatz der Stadt finden sich jede Menge Fotomotive. Damit meine ich vor allem natürlich das mannigfaltige Fachwerk ringsum. Jedes Bauwerk besitzt einen eigenen Charakter und einen besonderen Charme. Auch hier fallen mir jede Menge sehenswerte Details ins Auge. Darunter immer wieder die für Celle typischen Renaissance-Treppenfriese.

Dekorative Fassadenmalerei

Ebenso eindrucksvoll präsentiert sich mir beim Spaziergang durch Celle das Alte Rathaus. Das 1292 entstandene Gebäude am Markt genießt den Ruf, eines der schönsten Gebäude der Stadt zu sein. Auch mir gefällt das aus zwei Teilen bestehende Haus mit der eindrucksvollen Fassadenmalerei. Da brauche ich schon eine geraume Zeit, bis ich mir die Bilder angeschaut habe. Als besonderer Blickfang fungiert rechterhand ein interessant gestalteter Wegweiser.

Erwähnung verdienen übrigens auch das Bomann-Museum sowie die beiden 8,50 Meter hohen Stahlskulpturen hinter dem Celler Kunstmuseum. Sie leuchten knallrot und erinnern mich irgendwie an mittelalterliche Morgensterne. Das Besondere an den Kunstwerken: Nachts senden sie Lichtstrahlen in den Himmel. Das Schauspiel werde ich bedauerlicherweise nicht genießen können. Denn am Abend wird mein kurzer Spaziergang durch Celle längst beendet sein.

Alte Lateinschule in Celle
Spaziergang durch Celle - schöne Fachwerkhäuser finden sich an der Stechbahn

Viele kleine Geschäfte

Einen Steinwurf und zwei Parallelstraßen weiter flaniere ich wenig später über den Großen Plan. Sehenswert auf dem größten Platz der Innenstadt auch hier wieder das vielfältige schöne Fachwerk, das sich um einen Brunnen, den Pipenposten, gruppiert. Die kleinen und feinen inhabergeführten Geschäfte ringsum – mehr als 100 sollen es sein – laden zum Reingehen ein. Die Einladung nehme ich gern an. Und schaue gleich mal bei Huth´s Kaffee rein. Das ist ein Fachwerkhaus mit besonders schmucker Außenansicht.

Feinkost bei Huth´s

Beim Betreten des Spezialitätengeschäfts habe ich das Gefühl, als hätte mich eine Zeitmaschine in die Mitte des 19. Jahrhunderts katapultiert. Ins Jahr 1851 etwa, als das Geschäft an dieser Stelle eröffnet wurde. Und ich habe das Gefühl, in einem gemütlichen Kolonialwarenladen zu stehen. An den Wänden gediegene Warenregale, davor Theken mit Feinkostangeboten. Im hinteren Teil ziehen große gläserne Behälter, gefüllt mit Kaffeebohnen, meine Blicke an.

Fundgrube für Feinschmecker

Kaffeebohnen, so erfahre ich vom auskunftsfreudigen Verkäufer, werden seit mehr als 110 Jahren bei Huth´s in der hauseigenen Rösterei geröstet. Doch nicht nur Kaffee-Liebhaber kommen hier auf ihre Kosten. So kann der Kunde aus über 120 Teesorten und -mischungen wählen. Auch Gewürze aus aller Welt gehören zum Angebot des Traditionsgeschäfts. Ebenso natürlich regionale Spezialitäten, Schokolade, Feinkost und allerlei Süffiges. Nach der Plauderei mit dem Verkäufer und seiner Erlaubnis, in der Fundgrube für Feinschmecker fotografieren zu dürfen, verlasse ich mit einer großen Einkaufstüte den Gourmet-Tempel, der sich so gut einfügt in das mittelalterliche Flair der Altstadt.

Ein Riesen-Stück Mandelkuchen

Dass nach so viel architektonischem Augenschmaus mittlerweile auch der Magen knurrt, ist klar. Zeit also – schon der müden Füße willen – für eine Pause. Die verbringe ich ein paar Schritte von Huth´s entfernt im Kaffeehaus auf dem Großen Plan. Da die Sonne lacht und die Temperaturen mild sind, ist der Freisitz gerade recht. Hier genieße ich unterm großen Sonnenschirm einen Cappuccino und das größte Stück Mandelkuchen, das ich je serviert bekommen habe. Dabei schaue ich durch ein Efeu beranktes Herz auf das schöne Fachwerk.

Spaziergang durch Celle: durch ein Efeu-Herz sieht man auf schönes Fachwerk

Wahrzeichen in Strahle-Weiß

Gestärkt kann ich meinen Spaziergang durch Celle fortsetzen. Mein Weg führt mich nun auf eine kleine Insel am Rand der Altstadt. Hier wartet das Wahrzeichen der Stadt. Auf einer Anhöhe, inmitten des Schlossparks thronend, strahlt mir nämlich schon das Welfenschloss in schönstem Weiß entgegen. Im 13. Jahrhundert ursprünglich als Wasserschloss angelegt wurde das Celler Schloss im Laufe der Jahrhunderte immer mal wieder umgebaut und erweitert. Heute beherbergt die Vierflügel-Anlage ein Museum, ein stark frequentiertes Standesamt und eines der ältesten erhaltenen Hoftheater Deutschlands.

Kostbare Sammlung

Ins Theater mit den 300 Sitzplätzen darf ich leider keinen Blick werfen, weil grad geprobt wird. Wohl aber im Residenzmuseum kann ich an einer Führung durch eine der bedeutendsten Schlossanlagen Norddeutschlands teilnehmen. Der Rundgang beginnt mit einem Überblick über den weit verzweigten wie illustren Stammbaum der ehemaligen Hausherren. Danach darf in den original erhalten gebliebenen Prunkräumen die kostbare Sammlung von Kunstwerken, Möbeln und Alltagsgegenständen bestaunt werden.

Am Bett des Herzogs

Auch das Paradezimmer beeindruckt. Hier, so wird informiert, empfingen die Herzöge hochrangige Gäste. Aber wieso steht da im Alkoven ein Bett? Ein Besuch beim Hausherren, der im Bett saß, galt zur damaligen nicht als unschicklich. Vielmehr soll es für die Auserwählten eine besondere Ehre gewesen sein, ist von der Schlossführung zu hören. Na, dankeschön. Darauf kann ich in meinem bescheidenen Leben verzichten.

Amüsant bis traurig sind die Geschichten über das Leben und Lieben der Herrschenden, die nun beim Verweilen vor den zahlreichen Porträts vorgetragen werden. Tauschen möchte ich da keinesfalls mit den einstigen Damen des Hauses. Obwohl ich die Möglichkeit habe, mir jetzt mal ne Krone aufzusetzen und in den königlichen Mantel zu schlüpfen und mich vor dem Spiegel zu drehen. Aber das reicht dann auch.

Sakrales Prunkstück

Der Rundgang führt auch durch ein sehr schönes Treppenhaus. Irgendwann gelangt man in die Schlossküche. Die befindet sich heute allerdings nicht mehr am originalen Ort. Trotzdem kann der Gast mal in die Töpfe der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg schauen. Danach geht es zur letzten Station und zum Highlight des Celler Schosses. Und da ist Staunen angesagt. Denn die Schlosskapelle samt Fürstenempore ist ein wahres Juwel sakraler Architektur. Die Kapelle, im Stil der Hochrenaissance gestaltet, ist ziemlich klein, dafür aber reich mit aufwändigen Schnitzereien und prächtigen Bemalungen ausstaffiert. Ein Prunkstück, an dem ich mich kaum satt sehen kann.

Spaziergang durch Celle - Welfen-Schloss spiegelt sich in einem kleinen Teich
Spaziergang durch Celle - Blick in die kleine Kapelle im Celler Schloss

Prominente Vorkoster

Für die Augen gab´s in den zurückliegenden Stunden genügend Futter. Nun verlangt der Magen nach seinem Recht. Also kehre ich ein beim „Schweine Schulze“. Die urige Gaststätte, die seit Zeiten als „heimliches Rathaus“ gilt, erweist sich als gute Wahl. Nicht nur, weil hier Gäste wie Bundeskanzler Helmut Kohl, Schauspielerin Jutta Speidel, Fußball-Star Uwe Seeler, Politiker Walter Leisler Kiep, Opernsänger Gunther Emmerlich und der singende Frauenschwarm Roy Black meine prominenten Vorkoster waren. Seit 1842 kommt in der gemütlichen Gaststube deutsche Küche auf den Tisch. Und genau danach steht gerade mein Sinn. Die Speisekarte reicht von Salat, über Rotbarsch bis hin zum Schnitzel. Bei einem Rumpsteak mit Champignons und nem kühlen Herrenhäuser Pils lasse ich vor der Heimreise meinen erlebnisreichen Spaziergang durch Celle noch einmal Revue passieren.

Spaziergang durch Celle - in einem Fachwerkhaus befindet sich das Restaurant Schwein-Schulze

Weitere Impressionen aus Celle hier

Schönes Fachwerk gibt es auch in Quedlinburg in Sachsen-Anhalt zu sehen.