Lissabon ist die am westlichsten gelegene Hauptstadt auf dem europäischen Kontinent. Das lässt sich nicht anfechten. Und wahrscheinlich auch nicht, dass die Schöne am Tejo-Fluss zu den sonnenreichsten Städten gehört. Doch ob der Beiname „Stadt der sieben Hügel“ wirklich den Tatsachen entspricht, bezweifle ich. Denn auf meiner Suche nach dem, was sehenswert in Lissabon ist, steige ich unentwegt bergauf und bergab. Was aber meinem Faible für diese Stadt keinen Abbruch tut. Im Gegenteil. Hier meine Liebeserklärung an Lissabon.
Wein mit Burg-Blick
Den ersten Hügel Lissabons nehme ich mit Leichtigkeit. Und ohne auch nur einen Fuß vor den anderen setzen zu müssen. Was schnell erklärt ist. Ein Taxi, das ich am Flughafen bestieg, lädt mich nämlich nach kurzer Fahrt vor meinem Urlaubshotel ab. Und das befindet sich im Stadtteil Bairro Alto. Was so viel wie Oberstadt bedeutet. Dieses Viertel liegt geographisch betrachtet wirklich oben. Davon will ich mich nach meiner Ankunft gleich überzeugen. Also schnell eingecheckt. Koffer im Zimmer abgestellt. Raus aus dem Hotel. Und rein in den lauen Abend. Nach nur wenigen Schritten stehe ich auf der obersten Stufe einer abschüssigen Treppe. Die heißt Calcada do Duque. Sie hat über 100 Stufen. Fast in jedem Reiseführer findet sich ein Foto von ihr. Weil die Treppe wirklich sehenswert in Lissabon ist.
Tagsüber ist meist tote Hose hier. Lediglich ein paar Touristen schleppen sich den steilen Aufgang hoch. Oder tippeln munter in umgekehrter Richtung die Stufen hinab in Richtung Rossio. Das ist einer der wichtigsten Plätze Lissabons. Doch dazu später.
Tische auf der Treppe
Zurück zur stufenreichen Treppe. Abends steppt auf der Calcada do Duque der Bär. An den Tischen, die die Gastwirte auf die Absätze des schmalen Aufgangs gezwängt haben, ist zur Hochsaison kaum ein Platz frei. Hier wird gegessen, gefeiert, gelacht. Und beim Wein trinken hat der Gast gratis einen phantastischen Burg-Blick. Das angestrahlte Castelo de Sao Jorge grüßt in der Ferne von einem weiteren Stadt-Hügel. Natürlich lohnt der Blick nicht nur für Nachteulen. Auch am Tag kann das Auge über das nach oben gestaffelte Häusermeer schweifen. Ein Anblick, der mir gefällt.
Stählerne Berühmtheit
Wer keinen Bock hat auf den mühsamen Aufstieg von der Unter- in die Oberstadt, der nimmt den Fahrstuhl. Natürlich keinen x-beliebigen, sondern eine echte Berühmtheit: den Elevador de Santa Justa. Und der gehört wirklich in die Kategorie sehenswert in Lissabon. Frei stehend überragt der markante Personenaufzug die umliegenden Häuser der Rua Santa Justa. Kein Wunder, wem beim Anblick der 45 Meter hohen Stahlkonstruktion plötzlich der Pariser Eiffelturm in den Sinn kommt. Die Pläne für den Bau des Lissaboner Aufzugs stammen von Raoul Mesnier du Ponsard. Und der war ein Schüler von Gustave Eiffel.
Einen entscheidenden Nachteil hat der berühmte Lift mit den beiden historischen Kabinen allerdings. Die Touristen stehen Schlange. Jeder will mal mitfahren. So muss man schon einige Zeit warten, um aus der Unterstadt (Baixa) in die Oberstadt (Chiado und Bairro Alto) zu gelangen. Schneller geht es da mit einer Alternative. Die befindet sich ganz in der Nähe. Der Elevador dos Terracos do Carmo ist zwar optisch bescheiden. Dafür kann er gratis benutzt werden. Ohne anstehen zu müssen, bin ich ruck zuck auf einem weiteren tollen Aussichtspunkt der Stadt. Genannt wird er – wie der Fahrstuhl – Terracos do Carmo. Von den Terrassen kann ich den Elevador de Santa Justa aus einer anderen Perspektive fotografieren. Ebenso seinen öffentlich zugänglichen Steg aus Gusseisen. Dort zieht es mich jetzt hin.
Kirche ohne Dach
Von hier aus genieße ich den Blick auf das Häusermeer. Ich lasse mir Zeit. Mich treibt ja nichts. Später geht es auf dem Steg weiter zum Carmo-Platz im Stadtviertel Chiado. Im Blick habe ich vor mir ein imposantes Gebäude ohne Dach. Dafür mit schönen gotischen Bögen. Das ist die Carmo-Kirche. Einst war sie die wichtigste Andachtstätte von Lissabon. Bis 1755 ein Erdbeben aus der Klosterkirche eine Ruine machte. Zerstört wurde auch der darunter liegende Stadtteil Baixa. Und der Königspalast am Tejo-Ufer.
Auf dem Trümmerfeld entstand ein geometrisch angelegtes elegantes Viertel. Mit Lissabons prächtigster Flaniermeile. Sie heißt Rua Augusta. Vom Rossio kommend stoße ich direkt auf diese Prachtstraße mit den vielen Geschäften und Restaurants. Auf der flaniere ich bis zum Triumphbogen. Und weiter zum Praca do Comércio mit Reiterstatue. Der quadratische Platz des Handels ähnelt einem U. Das öffnet sich hin zum Tejo. An seinem Ufer kann ich prima in der Herbstsonne flanieren und die Möwen füttern.
Schweißtreibende Aufstiege
Eigentlich könnte Lissabon auch den Beinamen „Stadt der Treppen“ führen. Wieviele es im öffentlichen Raum gibt, weiß ich nicht. Meinem Gefühl nach müssen es unwahrscheinlich viele sein. Denn ich laufe ständig treppauf, treppab. Die meisten Treppen sind moderat. Manche aber haben es in sich. Eine erwähnte ich eingangs. Doch die wohl härteste Herausforderung wartet am letzten Tag meiner Suche, was sehenswert in Lissabon ist. Es ist die Escadinhas da Saúde.
Eingekeilt ist der schmale wie schweißtreibende Aufstieg zwischen zwei Gebäuden. Fast könnte man ihn übersehen. Links führt die Treppe vorbei an Balkonen. Wäsche trocknet vor den Fenstern. Auf der rechten Seite wurde 2018 gnädigerweise eine 32 Meter lange Rolltreppe installiert. Die überwindet die 13-prozentige Steigung mühelos. Auf dem Band rolle ich jetzt kräftesparend der nächsten Sehenswürdigkeit entgegen. Dem Mouraria District. Einen kleinen Aufstieg weiter und schon bin ich am Castelo de Sao Jorge. Aus der Ferne habe ich es ja schon gesehen. Beim Weintrinken auf der Calcada do Duque.
Wie in einem Bienenstock
Lissabon hat mehr als eine halbe Million Einwohner. Dazu kommen jährlich noch einmal zwischen drei bis vier Millionen Touristen. Da summt und brummt es in der Stadt wie in einem Bienenstock. Vor allem auch dann, wenn die Kreuzfahrtschiffe andocken und ihre Menschenladungen zum Landgang ausspucken. Auf der Suche, was sehenswert in Lissabon ist. Für meine Stippvisite habe ich den November gewählt. Was gut ist. Denn die City ist nicht so rappelvoll, wie viele beklagen. So mäandere ich durch die Tejo-Stadt, ohne auf allzu große Menschentrauben zu stoßen. Nur manchmal gibt es Ansammlungen. Weil eben auch andere Touristen interessiert, was sehenswert in Lissabon ist.
Dabei ist die ganze Stadt ein Museum. Das fängt schon bei der Calcada Portuguesa an. Die charakteristische Pflasterung aus Kalkstein und Basalt belebt mit tollen Mustern Wege und Plätze. Besonders gefällt mir die kunstvolle Gestaltung vor der Metro-Station Baixa-Chiado. Hier bedauere ich es, dass ich die Pflastersteinkunst nicht von oben betrachten kann. Aber man kann eben nicht alles haben.
Wellen aus Pflastersteinen
Auf dem Rossio versuche ich es mal von unten. Der weitläufige Platz ist das Herzstück des Stadtteils Baixa. Mehr als die beiden französischen Bronzebrunnen und die 23 Meter hohe Mamorsäule mit der Statue Pedros IV. interessiert mich das Fußbodenmosaik – sehenswert in Lissabon. Graue und weiße Pflastersteine wurden hier wellenförmig verlegt. Das hat eine Dynamik, die mich begeistert. Und die mich animiert, beim Fotografieren in die Hocke zu gehen.
Das Nationaltheater am Platze finde ich von außen so prickelnd nicht. Dafür zieht mich ein anderes Gebäude magisch an. Seine beiden überdimensionierten Eingänge haben die Form von Hufeisen. Durch die strömen unaufhörlich die Menschen. Das macht mich neugierig. Was mag drin sein im Gebäude? Kurze Zeit später weiß ich das. Ich stehe nämlich im Kopfbahnhof Rossio. Von hier starten die Vorortzüge bzw. kommen an.
Sehenswert in Lissabon sind auch die Azulejos. Ob an Fassaden oder in Höfen, in Restaurants oder Kirchen – die Keramikfliesen leuchten mir überall entgegen. Die Mauren brachten die farbigen Kacheln einst nach Portugal. Heute sind die glasierten Stücke eines der bekanntesten Produkte des Landes. Es gibt sogar ein Azulejos-Museum in Lissabon.
Haus mit Zacken-Fassade
Mehr noch als die elegante Seite von Lissabon begeistert mich das Altstadt-Flair. Die malerischsten Ecken entdecke ich rund um den Burghügel Sao Jorge. Die Alfama, wo einst die Fischer und einfachen Leute Zuhause waren, ist eines der ältesten Viertel. Und auch – so finde ich – das anheimelndste. Ich spaziere durch das Labyrinth der engen Gassen. Ein Ziel habe ich nicht. Ich will nur alles auf mich wirken lassen. Etwa die bunt angemalten Häuser. Oder die Wäsche vor den Fenstern. Auch die Straßenmusikanten, die am Fenster Ständchen für die Passanten bringen. Am Wege liegen etliche Sehenswürdigkeiten. Die Kathedrale Sé beispielsweise. Oder die Casa dos Bicos mit der auffälligen Zacken-Fassade. Ich könnte unentwegt weiter aufzählen, was ich sehenswert in Lissabon finde.
Preiswerte Taxifahrt
Nun ist Zeit für einen Perspektivwechsel. Dazu muss ich die Stadt verlassen. Und den Tejo überqueren. Statt mit der Fähre zu fahren, entscheide ich mich für den Weg über die Ponte 25 de Abril. Das ist eine rote Hängebrücke. „Cristo Rei, bitte“, nenne ich dem Taxifahrer mein Ziel. Die Fahrt bis zur Brückenauffahrt streckt sich. Nicht, dass ich keine Zeit hätte. Mir macht die Taxi-Rechnung Sorge. Ist am Zielort mein Tages-Budget aufgebraucht? Und statt Wein am Abend gibt es dann nur Leitungswasser? Vorweg gesagt: Die Sorge war unnötig. 14 Euro löhne ich für die lange Fahrt.
Endlich haben wir die Brücke erreicht. Wenig später steige ich bei Cristo Rei aus. Der 28 Meter hohe Betonknabe am Südufer des Tejo empfängt mich mit weit ausgebreiteten Armen. Auch die Sonne begrüßt mich. Sie schickt ihre Strahlen durch die Öffnung des 75 Meter hohen Sockels. Auf dem steht die Statue seit über sechs Jahrzehnten. Erst schaue ich mir die kleine Kapelle am Fuß des Monuments an. Dann fahre ich mit dem Lift hinauf zum Christus. Wie der fromme Mann so dasteht, sein Antlitz der Stadt Lissabon zugewandt, erinnert er mich an Cristo Redentor in Rio de Janeiro. Und in der Tat: Die siebtgrößte Christus-Figur weltweit wurde dem brasilianischen Vorbild nachempfunden.
Bond raste über Brücke
Aber das ist nur ein Gedankenblitz. Vielmehr nimmt mich die Aussicht von hier oben gefangen. Wegen der Höhe ist sie wahrscheinlich eine der schönsten. Spielzeugklein sehe ich die 190 Meter hohe rote Brücke und den munter fließenden Verkehr darauf. Mit 2.278 Metern ist die Hängebrücke übrigens die drittlängste mit kombiniertem Straßen- und Eisenbahnverkehr. Der vollständige Brückenzug misst 3,2 Kilometer. Wegen des roten Anstrichs und der Versteifungsträger erinnert mich der Flußüberquerer irgendwie an die Golden Gate Bridge in San Francisco.
1966 wurde die Ponte, so wird sie von den Lissabonern kurz genannt, für den Verkehr freigegeben. Drei Jahre später bretterte James Bond im Geheimdienst Ihrer Majestät über das Bauwerk. Daran denke ich, während mein Blick zum anderen Ufer schweift. Dorthin, wo sich die Häuser Lissabons abzeichnen. Ein paar Schritte auf der Aussichtsplattform nach rechts öffnet sich der Blick über die Stadt Almada. Sie ist die Heimstatt von Cristo Rei. Ganz hinten grüßt der Fährhafen. Dort nehme ich nach kurzer Busfahrt die Fähre zurück nach Lissabon.
Stein gewordener Reichtum
Was ist noch sehenswert in Lissabon? Belem wird in der Reiseliteratur wärmsten empfohlen. Dann nichts wie hin in den westlichen Vorort von Portugals Hauptstadt. Hier soll es einige der bedeutendsten Bauten der Metropole geben. Mal schauen.
Als erstes schaue ich mir das Jerónimos-Kloster an. Schon von außen wird mit klar, warum das Welterbe zu den meist besuchten Sehenswürdigkeiten der Tejo-Stadt zählt. Hier zeigt sich der Stein gewordene Reichtum einer großen Seefahrernation. Blickfang des langgestreckten Bauwerks ist das reich verzierte Südportal. 32 Meter misst es in der Höhe und zwölf Meter in der Breite. Wie alle Besucher gelange ich allerdings durchs Westportal ins Innere. Was ich während meines Rundgangs sehe, gefällt mir sehr.
Filigrane Säulen
Besonders das Hauptschiff mit seinen reich verzierten Säulen. Sie sind schlank und hoch und stützen in 25 Meter Höhe die prächtige Netzgewölbedecke. Auf den fast filigranen Stützen tummelt sich allerhand Getier. Auch exotische Pflanzen sind zu sehen. Und Figuren aus der Mythologie gehören zu den ansehnlichen Steinmetzarbeiten. Auch im Refektorium, dem ehemaligen Speisesaal, begegnet mir die Netzgewölbedecke erneut. Blickfang an den Wänden ist hier der farbenfrohe Kachelschmuck. Er gehört unbedingt in die Kategorie sehenswert in Lissabon.
Kap-Umseglers gefaltete Hände
Unter der Galerie im Chorraum zieht ein Sarkophag meine Aufmerksamkeit auf sich. Eine steinerne Männerskulptur mit gefalteten Händen liegt darauf. Das ist es also, das Grab von Vasco da Gama, dem berühmten portugiesischen Seefahrer. Da haben die Steinmetze wirklich ihr Bestes gegeben, um dem Entdecker des Seewegs um das Kap der Guten Hoffnung nach Indien eine würdige letzte Ruhestätte zu schaffen. Später stoße ich noch auf die von Elefanten getragene Grabstätte von König Manuel I. und seiner Frau Marie.
Für die Besichtigung des Klosters sollte man durchaus etwas mehr Zeit einplanen. Allein der zweistöckige Kreuzgang ist eine Augenweide. Inmitten der reich verzierten Gewölbebögen finden sich immer wieder neue Fotomotive.
Heinrich an der Spitze
Ein paar Gehminuten vom Jerónimos-Kloster entfernt begegne ich einem anderen berühmten Portugiesen. Es ist Heinrich der Seefahrer. Der Königssohn, der als Begründer der portugiesischen See- und Kolonialmacht gilt, schaut im wahrsten Wortsinn versteinert über den Tejo. Die neun Meter hohe Stein-Figur steht an der Spitze des Padrao dos Descobrimentos. Das klobige, 56 Meter hohe Denkmal der Entdeckungen ist wie ein Schiffsbug geformt. Der ragt leicht über das Tejo-Ufer. Hinterm steinernen Heinrich stehen beidseitig 32 bedeutsame Persönlichkeiten des Spätmittelalters. Natürlich ist auch ein alter Bekannter dabei: Vasco da Gama.
Mehr als das Denkmal zieht mich sein Vorplatz in den Bann. Nicht nur wegen des dekorativen Wellenmosaiks. Es ist die gewaltige Windrose auf dem Boden. Sie misst 50 Meter im Durchmesser. Ich schreite Schritte zählend eine Seitenlänge ab. Dann verabschiede ich mich von der lokalen Prominenz. Und laufe nach rechts auf der schnurgeraden Avenida da India am Fluss entlang.
Leuchtturm und Törtchen
Bald stoße ich an der Tejo-Mündung auf eine weitere Berühmtheit Lissabons: den Torre de Belém. Der Turm von Belém (Kurzform von Bethlehem) gehört zu den Wahrzeichen der Stadt. Einst fungierte er als Leuchtfeuer für die heimkehrenden Seefahrer und auch als Wachturm. Sein Zwillingsbruder am gegenüberliegenden Flussufer fiel übrigens beim Erdbeben von 1755 in Trümmer.
Nach so viel Historie gönne ich mir eine kurze Rast mit ein paar Albernheiten an einer Spiegelwand. Für eine größere Pause habe ich mir die nahe Konditorei Antigua Confeitaria de Belém ausgesucht. Ich will einfach mal testen, ob die Sahnetörtchen dort wirklich so lecker sind wie ihr Ruf. In der Tat: Sie sind es. Während ich die Leckerei genieße, lausche ich dem munteren vielsprachigen Geplapper der Gäste.
Originalgetreue Bahnen
Es ruckelt und es zuckelt. Es quietscht und es rattert. Und es ist ziemlich eng hier drin. In dieser alten Bimmel. Zum Glück habe ich einen Sitzplatz in der Straßenbahn ergattert. Bequem ist es nicht auf den schmalen Holzbänken. Die noch originalgetreu sind. Wie alles ringsum. Doch wenigstens muss ich mich nicht festklammern, während der Oldtimer durch die schmalen Straßen und engen Gassen kurvt. Und dabei so manche abenteuerliche Steigung überwindet. Wie etwa in der Calcada Nova de Sao Francisco auf der Linie 28. Mit der fahre ich grad.
Gut gelaunt schaue ich aus dem Fenster. Und plötzlich habe ich, warum auch immer, einen Titel von „Kraftwerk“ im Ohr. Die Melodie summe ich in Gedanken, verändere nur leicht die Textzeile. In „Fahr‘n,
fahr’n, fahr’n mit der Straßenbahn“. Ja, Lissabon-Touristen sollten unbedingt mit einem dieser alten Eléctricos durch das Labyrinth der Altstadt kurven. Es ist wirklich ein besonderes Erlebnis.
Durch enge Gassen kurven
In anderen Städten sind diese Oldies längst ausgemustert. Oder man kann sie in Museen bestaunen. Wie in meiner Heimatstadt Halle auch. In Lissabon jedoch sind die sogenannten Remodelados im öffentlichen Nahverkehr unverzichtbar. Während der Bahnfahrt wird mir klar, warum. Moderne Straßenbahnen würden es gar nicht schaffen, durch diese engkurvigen Straßen.
Wer wie ich mit der Linie 28 fährt, erlebt eine interessante Stadtrundfahrt zwischen den Endhaltestellen Martim Moniz und Campo de Ourique. In 40 Minuten zuckele ich durch das Viertel Graça und die sehenswerten Gassen der Alfama. Für den Sonnenuntergang merke ich mir schon mal Miradouro Santa Luzia vor. Auch in die bekannte Einkaufsstraße Rua Auguste schiele ich rein, bevor es rauf geht ins Viertel Chiado. Weitere Sehenswürdigkeiten liegen am Weg. Wer will, kann jederzeit aussteigen. Ich will nicht. Bis zur Endhaltestelle Campo de Ourique fahre ich mit. Dort liegt mein nächstes Ziel.
Friedhof der Freuden
Alles aussteigen! An der Endhaltestelle Campo Ourique müssen alle Fahrgäste der Linie 28 aussteigen. Die meisten würdigen der Umgebung keinen Blick. Sie steigen wenig später wieder in die Bimmel. Retour in den Stadtkern. Mein Ziel jedoch liegt in Sichtweite. Es ist der Cemitério dos Prazeres – der Friedhof der Freuden. Warum auch immer er diesen Namen trägt – ich habe keine Ahnung. Angelegt wurde er jedenfalls wegen einer Cholera-Epidemie. Die kostete hier Tausende von Menschenleben. Das war im Jahr 1833.
Villen für die Toten
Nach Passieren des dreiflügligen Eingangstores umfängt mich Stille. Und wenig später eine geometrische Gliederung des 20 Hektar großen Geländes. 80 Alleen und Sträßchen durchziehen den städtischen Friedhof. Dass ich nicht alle ablaufen kann, ist schnell klar. Muss auch nicht sein. Denn schnell stelle ich fest, dass sich die Grabanlagen ähneln. Links und rechts der Wege nämlich stehen dicht an dicht zumeist oberirdische Grüfte. Sie sehen aus wie kleine Häuschen.
Viele der Begräbnisvillen sind durch schmiedeeiserne Gitter vor unbefugtem Zutritt geschützt. Doch nicht wenige schirmen die Verstorbenen vor der Außenwelt nur durch eine Scheibe ab. Durch die kann ich ins Innere schauen. Auf beiden Seiten der Grüfte sind Särge zu sehen. Übereinander gestellt und manche mit kostbaren Spitzendecken umhüllt. Fotografien stehen in den Schreinen, dazu Lichter und Vasen. Und persönliche Gegenstände der Toten.
Einige Areale sind der Erdbestattung vorbehalten. Anders als ich es von unseren Friedhöfen kenne, ruhen die Särge unsichtbar unter monströs wirkenden Grabplatten. Auf mich macht es den Eindruck, es seien die Verstorbenen eingemauert.
Größtes Familiengrab Europas
Sehenswert dagegen finde ich an den Schnittpunkten der Alleen die phantasie- wie prunkvollen Grabstätten. Manche davon haben die Anmutung von kleinen Burgen. Oder sind wahre Mausoleen. Wie beispielsweise das Familiengrab des Pedro de Sousa Holstein. 200 Familienangehörige sollen hier ihre letzte Ruhe gefunden haben. Damit gilt die Kombination aus Tempel und Pyramide als das größte Familiengrab Europas.
Diese Bestattungsart ist mir etwas zu überbordend. Da genieße ich doch lieber die schöne Aussicht. Den Tejo kann ich sehen. Auch die Brücke des 25. Aprils. Und in der Ferne grüßt mit ausgebreiteten Armen die Christus-Statue zu mir herauf. Angesichts dieses Ausblicks freue ich mich, nicht gleich wieder in die Tram 28 eingestiegen zu sein. Ein wenig wandere ich noch zwischen den Zypressen. Sie sollen die ältesten auf der iberischen Halbinsel sein.
Riesen-Muschel im Expo-Park
Portugals Hauptstadt kann aber auch hypermodern und himmelsstrebend. Zu besichtigen ist das im Parque das Nacoes. Anlass für den Ausbau des neuen Stadtviertels war die Expo 98. Bei ihren Entwürfen ließen sich die Architekten vom Schiffsbau inspirieren. So erinnert ein Wohnhochhaus an ein traditionelles Segelschiff. An eine Muschel muss ich denken, als ich vor der Altice Arena stehe. 20.000 Besucher sollen in die futuristische Multifunktionshalle passen. Jetzt allerdings ist hier grad nichts los. Nur ein paar Skater perfektionieren auf der breiten Treppe ihre Sprungtechnik.
Äste überm Gleisbett
Die modernen Bauten mögen nicht jedermanns Geschmack sein. Mir gefallen sie. Vor allem der Bahnhof Oriente ist ein Hingucker. Und gehört zweifelslos in die Rubrik sehenswert in Lissabon. Die mit einer filigranen Konstruktion überdachten Bahnsteige erinnern mich irgendwie an Bäume. Die ihre Äste über den Gleisbetten vereinen. Durch ihre Stahlzweige schimmert Himmelsblau. Immer neue Fotomotive entdecke ich. Wie die farbenfrohen Mosaiken und das Kunstwerk von Friedensreich Hundertwasser auf den Bahnsteigen. Auch die Stahlbetontragwerke unter den Gleisen lohnen einen Blick. Ebenso das Einkaufszentrum „Vasco da Gama“.
Längste Brücke Europas
Wem auf dem Gelände nicht nach Shopping ist oder nach moderner Architektur, der kann für ein paar Stunden abtauchen in Lissabons Oceanário. Oder sich während der Fahrt mit der Seilbahn einen Überblick über das Expo-Gelände verschaffen. Aber auch für Spaziergänger gibt es einiges zu sehen. So schlendere ich denn am Ufer des Tejo entlang. Ganz weit hinten begegnet mir Vasco da Gama dann ein viertes Mal. Und diesmal wahrlich als Gigant. Denn die grazil wirkende Brücke, die den Namen des berühmten Seefahrers trägt, ist über 17 Kilometer lang. Keine Brücke in Europa ist länger.
Essen unter Glas
Was wäre eine Städtereise ohne genussvolle Einkehr. Da gibt es in Lissabon unendliche Möglichkeiten. Wer Essengehen mit Geschichte verbinden möchte, steuert die Mercado da Ribeira an. Die älteste noch erhalten gebliebene Markthalle befindet sich gleich gegenüber der Bahn- und Fährstation Cais do Sodré. Also fast am Ufer des Tejo. Das Gebäude vereint auf einer überdachten Fläche von 10.000 Quadratmetern nicht nur frische Produkte von Fleisch über Meeresfrüchte bis Gemüse. Überall locken Fast-Food-Stände und Bistros zum Verweilen in der 1892 eröffneten Markthalle. Seit 2014 kommen im neugestalteten Westflügel die Feinschmecker auf ihre Kosten. Hier, im Time Out Market, kann sich der Gast an 35 Ständen durch die Spezialitäten der portugiesischen Küche futtern.
Kaffeetrinken mit Bronzemann
Geschichtsträchtig ist auch das Café A Brasileira. Das Gebäude im Stil der Belle Époque findet der Tourist im Stadtteil Chiado. Die üppig mit Stuck, Spiegeln und Gemälden aus den 1920er Jahren ausgestattete Location war einst das Lieblingscafé von Fernando Pessoa. Eine Bronzestatue vor dem Café erinnert an den portugiesischen Dichter. Wer mag, kann sich dazu setzen und mit Pessoa den Kaffee genießen. Das mache ich jetzt mal.
Abschied mit Abendrot
Wenn der Tag sich neigt, macht es Sinn, noch einmal einen der Hügel der Stadt zu erklimmen. Auch wenn die Füße noch so schmerzen vom stundenlangen Laufen durch Portugals Hauptstadt. Ebenso wie der Miradouro da Garca ist auch der Miradouro da Santa Luzia zum Sonnenuntergang ein beliebter Treff. So schaue auch ich jetzt auf Alfama und den Tejo. Und auf die vielen Ecken, die sehenswert in Lissabon sind. Der Himmel schmückt sich mit tollem Abendrot. Was das Partyvolk am Aussichtspunkt kurz innehalten lässt. Bevor es weiterzieht, um sich in einem der Restaurants niederzulassen. Nichts wie hinterher.
Vielleicht interessiert dich auch mein Bericht über Tallinn, die Hauptstadt Estlands. Freunden des Jugendstils sei Riga, Lettlands Hauptstadt, empfohlen.
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