Bei seiner Eröffnung galt das prächtige Stadtbad Leipzig als eine Perle der deutschen Badekultur. Im Innern des 1916 eröffneten Jugendstil-Gebäudes gab es für diese Zeit zahlreiche Neuheiten. Prunkstück des illustren Badetempels war der orientalische Sauna-Bereich. Obwohl nun schon seit Jahren ein Lost Place, hat die Einrichtung im maurischen Stil kaum an Glanz verloren. Hin und wieder öffnen sich die Tore des dreiflügligen Gebäudes für Führungen, Dinner-Abende oder für Hobby-Fotografen.
Wellen im Schwimmbecken
Wir schreiben den 15. Juli 1916. In einer der verlustreichsten Schlachten des I. Weltkrieges liefern sich deutsche und französische Soldaten einen erbitterten Kampf. Das Geschehen wird als Schlacht von Verdun in die Geschichtsbücher eingehen. Während Soldaten in Schützengräben sterben, gibt es an diesem kühlen wie regnerischen Sommertag in Leipzig etwas zu feiern. Großer Bahnhof in der Eutritzer Straße 21. Ein phantastischer Badetempel wird eröffnet. Nach nur drei Jahren Bauzeit. Von außen sieht das dreiflüglige Jugendstil-Gebäude wenig spektakulär aus. Eher gediegen. Doch was drin zu sehen ist, haut die Besucher der damaligen Zeit glatt um.
Klar, Badeanstalten hat´s zu jener Zeit in der Sachsen-Metropole schon einige. Doch das prächtige Stadtbad Leipzig ist was ganz besonderes. Nicht nur zwei getrennte Schwimmhallen für Männer und Frauen gibt es. Und sogar ein Hundebad im Kellergeschoss. Ein Novum im 32 mal 12 Meter großen Schwimmbecken der Männer ist das Wellenbad. Es ist das erste seiner Art in Europa. Die Männer können in bis zu einem Meter hohen Wellen schwimmen. Und dann hat das Leipziger Stadtbad noch ein Highlight zu bieten. Das auch heute noch in Deutschland seinesgleichen sucht. Doch dazu später.
Erst schaue ich mal rein in die Schwimmhalle für Frauen. Kein typischer Schwimmbad-Geruch hier. Kein Wasserplatschen. Das blau geflieste Becken ist ohne einen einzigen Tropfen Wasser. Was jedoch kein Wunder ist. Denn seit 2004 wird hier nicht mehr gebadet. Die Türen des Stadtbads sind fest verschlossen. Es gibt kein Schlupfloch ins Innere. Was übrigens ein Glück ist. Weil so der Lost Place bisher verschont blieb von Zerstörungen und Graffiti-Schmierereien. Nur ab und an wird das im Dornröschen-Schlaf liegende Objekt aufgeschlossen. Beispielsweise für Foto-Touren.
Rote Säulen, blaues Becken
Tage zuvor habe ich einen Zugang zur Badeanstalt gebucht. Zusammen mit etwa 20 Fotobegeisterten darf ich an diesem Samstag vier Stunden durch das über 100 Jahre alte Gebäude streifen. Ohne Tabus.
Das Gros der Gruppe beginnt die Besichtigung wie ich in der Frauenschwimmhalle. Nach und nach verstreuen sich die meisten in die oberen Etagen. Sie haben offensichtlich hier unten genug gesehen. Ich nicht. Ich bleibe noch und lasse die marode Schönheit der Halle auf mich wirken. Eine Schau in Blau und Gelb und Ocker. Trotz bröckelndem Putz und abblätternder Farbe. Die vielen Bögen und die Säulen machen aus der Schwimmanstalt einen Badetempel. Von jedem Standort am Beckenrand ergeben sich interessante Perspektiven. Auch im Zusammenspiel mit den Umkleidekabinen ringsum.
Wandelgänge wie im Orient
Da vier Stunden Foto-Zeit für ein so großes Objekt ja nun auch nicht so viel ist, reiße ich mich irgendwann vom Anblick der Schwimmhalle los. Und folge dem Fotografen-Rudel. Ich steige ins nächste Geschoss. Und da stockt mir tatsächlich der Atem. So was Schönes habe ich in einer öffentlichen Badeanstalt wirklich nicht erwartet. Vor mir liegt der exklusive Sauna-Bereich für die weiblichen Badegäste. Und der steht unter Denkmalschutz. Zu Recht, wie ich finde.
Was ich hier sehe, das begeistert mich. Die vielen blauen Säulen formen mit ihren Hufeisen-Bögen eine Vielzahl von Wandelgängen. Denen folge ich auf braun-blauen Bodenfliesen. Vorbei an den Becken. Keines gleicht dem anderen. Mal sind sie rechteckig, mal rund. Mal größer, mal ziemlich klein. Doch immer sind sie blau gefliest. Meine Bummelei ist von Vorteil. So hält sich kaum noch einer aus der Fotografen-Gruppe in diesem Bereich auf. Und ich kann mich ungestört auf die maurische Architektur konzentrieren.
Relaxen unterm Sternenhimmel
Weiter geht´s. Der Gruppe hinterher. Ein paar Stative muss ich in den Gängen umrunden. Oder kurz Halt machen, bis die Fotografen ihre Belichtungszeit ausgereizt haben. Etwas nervig. Aber das Warten lohnt. Mich empfängt jetzt ein atemberaubendes orientalisches Flair wie aus Tausendundeiner Nacht. Welch eine Pracht! Der ehemalige Ruheraum strotzt nur so vor dekorativen Mosaiken, filigranen Mustern und Gold. Ich fühle ich wie in einem Sultanspalast.
Die beidseitigen Treppenaufgänge zur Empore sind reich verziert. Die Mitte im Parkett dominiert ein Brunnen aus ornamentalen Fliesen. Und über all der Pracht spannt sich ein atemberaubender Sternenhimmel in Blau, Rot und Gold. Zusätzlicher Blickfang im Sternen-Universum ist ein Kronleuchter mit weißen Kugeln. Von überall her höre ich das Klicken der Kameras. Den anderen scheint der Anblick auch zu gefallen.
Viele interessante Details
Auch sonst hat mir das prächtige Stadtbad Leipzig auf meinem Weg durchs Gebäude allerlei interessante Motive zu bieten. Schade nur, dass die Männerschimmhalle ohne Becken ist. Dafür sind allerlei Stoffbahnen über die Breite der Halle gespannt. Ein Hinweis darauf, dass hier seit 2008 zum Dinner geladen wird. Inmitten dieses Ambiente lässt es sich bestimmt trefflich feiern.
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