Jährlich schauen sich mehr als eine halbe Million Besucher Straßburgs schöne Museen an. Gut ein Dutzend dieser kulturellen Einrichtungen zählt Frankreichs siebtgrößte Stadt. Drei der Museen seien hier vorgestellt.
Dame mit Hut
Was für eine elegante Dame, die mir von der Wand ein kaum wahrnehmbares Lächeln schenkt. Die junge Frau trägt eine elsässische Tracht mit eng geschnürtem Mieder. Das Spitzenhalstuch ist locker überm Dekolleté geknotet. Ins Auge springt der raffinierte Zweispitz, der komplett das Haar der Schönen bedeckt. Er ist so ausufernd, dass seine Enden fast den üppigen Goldrahmen des Bildes links und rechts berühren. Mit dieser Kopfbedeckung – so sinniere ich – hätte man heutzutage Probleme, in die Tram einzusteigen. „Die schöne Elsässerin“, niemand kennt ihre Identität, porträtierte Nicolas de Largillière. Er galt als einer der gefragtesten Porträtkünstler seiner Zeit in Frankreich. Sein berühmtes Gemälde entdecke ich beim Streifzug durch Straßburgs schöne Museen. Und zwar im Kunstmuseum der Stadt. Das hat mit zwei weiteren Museen sein Domizil im weitläufigen Palais Rohan.
Katzensprung zum Palais Rohan
Vom berühmten Straßburger Münster, das ich mir grad angeschaut habe, ist es nur ein Katzensprung zum Rohan-Palais. Errichtet wurde die beeindruckende Dreiflügel-Anlage in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Sie diente den Fürstbischöfen und Kardinälen der Familie Rohan als Stadtresidenz. Heute beherbergt das bedeutendste Barockgebäude Straßburgs gleich drei der wichtigsten Museen der Stadt. Besucher, die das mit Statuen gekrönte protzige Haupttor zum geräumigen Innenhof passieren, haben die Wahl zwischen Archäologischem Museum, Kunstgewerbemuseum und dem bereits erwähnten Kunstmuseum.
Stelldichein berühmter Meister
Aus Zeitgründen lasse ich die Archäologie-Präsentation außen vor und widme mich zuerst dem Kunstmuseum. Es verfügt über einen Fundus von rund 2.000 Werken. Das Gros, natürlich kann nicht alles zeitgleich präsentiert werden, sind Gemälde aus einem halben Jahrtausend europäischen Kunstschaffens. In der ersten Etage warten also Werke italienischer, französischer, spanischer, flämischer, holländischer und deutscher Malerei auf mich. In den mit kräftigen Farben gestrichenen Räumen begegnen mir goldgerahmte Arbeiten bekannter Meister wie Memling, Corregio, Veronese, Tintoretto, Canaletto, El Greco, Rubens, Van Dyck, Canaletto und Goya, Raffael und Botticelli. Und eben auch von Nicolas de Largillère, dem Schöpfer des Porträts der schönen Straßburgerin.
Kardinal im blauen Saal
De Largillères vor mehr als 300 Jahren gemaltes Bild hängt übrigens in einem lang gestreckten schmalen Raum. Der ist tiefblau gestrichen und entfaltet durch die beidseits installierten wuchtigen antiken Säulen eine besondere Wirkung. Die modernen Deckenstrahler leuchten die Gemälde hervorragend aus. In diesem Raum entdecke ich auf dem Weg zur „Schönen Straßburgerin“ auch das Porträt eines Promis. Und der ist bekannt. Es ist Kardinal Richelieu. Das Bild aus dem Jahre 1642 zeigt den intriganten Strippenzieher und einen der reichsten Männer Europas wenige Monate vor seinem Tod.
Gemalt hat das Bild der in Brüssel geborene Barockmaler Philippe de Champaigne. Er war nicht nur der erste Hofmaler der Königinmutter Maria de` Medici sondern erfreute sich zudem der Gunst des französischen Kirchenfürsts und Staatsmanns. Dieser schusterte dem Künstler etliche Aufträge zu. Das Profilbild des Geistlichen war übrigens als Vorlage gedacht für eine Marmorbüste, die der italienische Bildhauer Gian Lorenzo Bernini von Richelieu anfertigte.
Klappaltar für unterwegs
Ein herausragendes Kleinod in der Straßburger Kunstsammlung entdecke ich in einer Vitrine. Ausgestellt ist hier das Triptychon der irdischen Eitelkeit und göttlichen Erlösung. Die 22 Mal 15 Zentimeter großen Bildtafeln entstanden Ende des 15. Jahrhunderts und gelten als einzigartige Miniatur-Meisterleistung. Geschaffen hat den beidseitig bemalten Klappaltar für unterwegs der deutsche Maler Hans Memling. Auftraggeber soll wohl ein gut betuchter Kaufmann aus Bologna gewesen sein. Dessen prachtvolles Wappen prangt auf der Vorderseite des Meisterwerks aus Eichenholz prangt.
Prunkvolles in jedem Appartement
Jetzt zieht es mich in Museum Nummer 2, das im barocken Rohan-Palast seine Heimat gefunden hat. Das Museum der dekorativen Künste befindet sich im Erdgeschoss der einstigen fürstlichen Residenz. Gemeinsam mit anderen Besuchern schreite ich deshalb vom Kunstmuseum die elegante Treppe hinunter ins Erdgeschoss und betrete die luxuriös ausgestatteten Wohnräume der Straßburger Fürstbischöfe. Hier also lebten die Rohans. Ganz schön pompös, wie sich an den edlen Möbeln und den kostbaren Dekorationen erahnen lässt.
Gobelins und Gemälde
Beim Schlendern durch die aneinander gereihten Gemächer habe ich meine Freude an der Einrichtung im spätbarocken, Rokoko- und Empirestil. Es gibt überall jede Menge Hingucker. Fast scheint es, als wolle ein Raum den anderen in seiner prachtvollen Ausgestaltung übertreffen. Neben den edlen Möbeln aus dem 18. Jahrhundert, den wunderschönen Gobelins und Gemälden ist es vor allem das wertvolle Porzellan, das mir immer wieder ins Auge springt.
Die Fayencen, die allerorten auf den Simsen und Sockeln stehen, sind eine wirklich Augenweide. So erzählt mir eine Museumsangestellte, dass viele Stücke des sehenswerten Porzellans aus der 1721 gegründeten Straßburger Manufaktur Hannong stammen. In einem Raum, der als Esszimmer mit großem Tisch eingerichtet ist, bewundere ich später weitere Porzellankostbarkeiten. Die sind in Vitrinen, eingelassen in die weißen Wände ringsum, zur Schau gestellt.
Schlafen im Goldrausch
Natürlich werfe ich auch einen Blick in das königliche Schlafgemach. Das leuchtet in Rot und Gold und steht den anderen Gemächer in Sachen Prunk in nichts nach. Es heißt, in diesem prächtigen Raum mit den vergoldeten Verzierungen hätten einst Ludwig XV. (1744) sowie Marie-Antoinette (1770) übernachtet. Ob sie auch mal in der Bibliothek in den historischen Bänden geschmökert haben, ist nicht überliefert. Ist auch nicht wichtig. Ich werfe hier trotzdem den einen oder anderen Blick auf die alten Folianten hinter Glas. Und natürlich auf kostbaren Gobelins sowie die Büsten, die auf Borden ihren Platz gefunden haben.
Flügelschlagender Gockel
Wertvolle Uhrmacherarbeiten warten in einem weiteren Museumsbereich, auf mich. Ein Exponat betrachte ich ausgiebig. Es ist ein überlebensgroßer Hahn mit beweglichen Flügeln. Er stammt aus dem 14. Jahrhundert und gehörte zur ersten astronomischen Uhr des Straßburger Münsters. Die sogenannte Dreikönigsuhr stand einst gegenüber der heutigen meisterlichen Uhr. Schon damals soll der erste Zeitmesser im Münster ein Kalendarium, Anzeigen für die Gestirne, ein Glockenspiel sowie bewegliche Figuren besessen haben. Auch der flügelschlagende Hahn, der jetzt sein Rentendasein im Rohan Palais genießt, gehörte zu diesem Ensemble. Der Gockel ist übrigens die einzige Figur, die die Zeit überlebt hat.
Sehenswerte Miniwelt
Über dem Sammelsurium historischer Zeitmesser verläuft eine kleine Galerie. Hier hinaufzusteigen lohnt. Denn es wartet eine entdecke ich eine sehenswerte Miniwelt. Zu sehen gibt es eine Auswahl an mechanischem Spielzeug. Die Exponate von Flugzeugen über Autos bis Dampfmaschinen stammen aus der Tomi Ungerer-Stiftung. Wer mehr über den französischen Grafiker, Schriftsteller und Illustrator von Kinderbüchern erfahren möchte, kann anschließend noch eine Stippvisite im Tomi-Ungerer-Museum in der Villa Greiner (Avenue de la Marseillaise) anschließen.
Petite France muss warten
Nach dem Ausflug in die Geschichte zieht es mich jetzt zurück in die Gegenwart. Straßburgs schöne Museen haben auch den Liebhabern zeitgenössischer Kunst einiges zu bieten. Mein nächstes Ziel ist also das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst. Auf dem Weg dorthin überquere ich zunächst die nahe Pont Ste Madeleine und schlendere ein gutes Stück an der Ill entlang. Die umfließt die zum Welterbe gehörende historische Altstadt von Straßburg und macht sie zu einer Insel. Mein Weg führt mich schnurstracks in Richtung Petite France. Das einstige Gerberviertel im Südwest-Teil der Großen Insel ist mit seinen bunten Fachwerkhäusern eine Augenweide. Das touristische Highlight muss warten. Das schaue ich mir später an.
Gedeckte Brücken ohne Dach
Das kurz MAMCS genannte Museum liegt in unmittelbarer Nähe der Gedeckten Brücken. Von den einstigen überdachten hölzernen Galerien ist heute nichts mehr zu sehen. Denn die wurden im 18. Jahrhundert entfernt. Einen guten Blick auf dieses markante Bauwerk mit den Türmen, auf die Kanäle sowie in einiger Entfernung auf das Münster genieße ich von der Aussichtsterrasse des gegenüberliegenden „Barrage Vauban“. Das ist ein altes Wehr aus dem 17. Jahrhundert. Besonders abends, wenn es angestrahlt wird, ist es ein reizvolles Fotomotiv. Eine Zeitlang beobachte ich das Wendemanöver eines Ausflugsschiffs vor den Gedeckten Brücken, dann laufe ich weiter bis zum Ende der Aussichtsterrasse.
Großflächige Wandbilder
Am Terrassenende steige ich die Treppe runter und schon stoße ich auf das MAMCS. Hier begrüßt mich eine großflächige Wandmalerei. Die 16 Murals in Schwarz-Weiß hat die Künstler-Vereinigung FAILE aus Brooklyn kreiert. Die Graffiti signalisieren mir beim Näherkommen, dass nun ein Kontrastprogramm zu den Ausstellungen im Rohan-Palais auf mich wartet. Noch ein paar Fotos, dann geht es durch ein vergittertes Tor zum Eingang.
Kunst hinter Glas
Das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst am Ufer der Ill ist ein modernes Gebäude mit viel Glas. Es beherbergt eine Sammlung von etwa 18.000 Werken aus der Zeit von 1870 bis zur Gegenwart. Zu den ständigen Exponaten gehören Gemälde, Skulpturen und Kunstgegenstände. Dazu gesellen sich Sonderausstellungen. Auf einer Ausstellungsfläche von 13.000 Quadratmeter trifft der Besucher also auf Kunstwerke etwa von Claude Monet, Auguste Rodin, Pablo Picasso, Wassily Kandinsky einerseits und auf viel Zeitgenössisches.
Raumgreifendes Ölgemälde
Von der mehr als 20 Meter hohen verglasten Wandelhalle gelangt man in die einzelnen Säle. Ich beginne meinen Rundgang in einem Saal, der ebenso hoch wie groß ist. Hier fungiert ein Monumentalbild von Gustave Doré als Blickfang. Das sechs mal neun Meter große Ölbild trägt den Titel „Christus verlässt den Gerichtssaal“. Das raumgreifende Meisterwerk malte der 1832 in Straßburg geborene Künstler zwischen 1867 bis 1872. Dass Doré als einer der größten Meister der Bibel-Illustrationen gilt, will ich angesichts des wirkmächtigen Gemäldes glauben. Eine Zeitlang stehe ich vor der biblischen Szene und fühle mich angesichts der überlebensgroßen Figuren ziemlich klein. Eine Zeit später wechsle ich die Perspektive. Von einem kleinen Balkon hoch oben genieße ich noch einmal den Blick aufs Riesenbild in der Gustave-Doré-Galerie.
Kaffeegenuss in Quietschebunt
Nach mehrstündigem Kunstgenuss in Straßburgs schönen Museen zieht es mich noch ins Museums-Café. Das befindet sich im Obergeschoss des MAMCS und ist so quietschebunt und schrill wie manches Exponat, das ich grad in den Ausstellungsräumen betrachtet habe. Nach der kleinen Kaffeepause spaziere ich über die ziemlich große Restaurant-Terrasse und genieße den schönen Ausblick auf die Ill und das hübsche Petite France, das mich nun lockt.
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