Ob bei Open-Air-Festivals oder Volksfesten, ob auf Baustellen oder Truppenübungsplätzen – ohne ein stilles Örtchen für unterwegs läuft heute nichts mehr.
Toilettenhäuschen auf Rädern
Wie verrückt ist das denn? Ich traue meinen Augen nicht. Die blaue Kabine auf dem Anhänger, der ballongeschmückt mitten im Rosenmontagsumzug schunkelt, ist wirklich eine Toilettenhäuschen. Ein zusätzlicher Sichtschutz verdeckt den Zugang zur Pipibox und sorgt so für noch ein bissel mehr Intimsphäre im Karnevalstrubel. Vorausschauend gedacht von den Karnevalisten, schießt es mir durch den Kopf. Denn wenn man stundenlang unterwegs ist, beruhigt es nicht nur Menschen mit schwacher Blase, wenn sie ein stilles Örtchen für unterwegs in ihrer Nähe wissen.
Apropos wissen. Weil mich interessiert, seit wann es eigentlich solche transportablen Kisten gibt, forsche ich nach. Und stoße auf einen allseits Bekannten – das Dixi-Klo. Und so nebenbei erfahre ich auch, dass das Häuschen mit den drei Herzchen im Logo in diesem Jahr ein rundes Jubiläum feiert. Vor 50 Jahren nämlich wurde die erste mobile Bedürfnisbude der Neuzeit in Deutschland zusammengeschraubt.
„John“ war Vorbild
Erfunden hat das transportable Plumpsklo ein amerikanischer Soldat. Fred Edwards hieß er und war in Deutschland stationiert. Und er muss wohl etwas genant gewesen sein, was sein tägliches Geschäft anbelangt. Denn offensichtlich stank es ihm, während der Truppenübungen im Wald und auf dem Feld vor aller Augen auf einem Donnerbalken seine Notdurft verrichten zu müssen. Warum also statt kollektivem Pinkeln sich nicht zurückziehen in ein stilles Örtchen für unterwegs, mag er gedacht haben. Und möglicherweise erinnerte sich Edwards damals an Fotos von „John“, die mobile Latrine aus den Staaten. Sie wurde in den 40er Jahren erstmals aufgestellt und ersparte fortan Werftarbeitern, die während der Arbeit müssen mussten, lange Wege. Was natürlich auch im Sinne der Arbeitgeber war. Denn kürzere Pinkelpausen gleich längere Arbeitszeiten.
Geburtsort Garage
Doch zurück zu Mr. Edwards. Der hatte den richtigen Riecher, als er 1973 als Erster in Europa in seiner Garage in Velbert die Ur-Klo-Box mit intergriertem Tank zusammenschraubte. Sie war ein etwa ein Quadratmeter kleines spartanisches Häuschen von der Anmutung einer Telefonzelle. Es bestand anfangs noch aus Fiberglas und firmierte alsbald unter dem klangvollen Namen Dixi.
Warum der Erfinder sein Kunststoff-Klo Dixi nannte, ist schnell erklärt. Der Name, so beabsichtigte Edwards, sollte die Männerwelt an den beliebten Dixi-Oldtimer erinnern. Die Frauen sollten bei Dixi an das gleichnamige Waschmittel in der feuerwehrroten Flasche denken und beide zusammen an die mitreißende Dixieland-Musik.
Zugegeben, mit seiner Geschäftsidee lehnte sich Erfinder Edwards, der mit Port San Ser in Essen die erste Firma für mobile Sanitärsysteme in Europa gründete, ziemlich weit raus. Es hätte auch alles in die Hose gehen können. Denn was ist so ein stilles Örtchen für unterwegs schließlich anderes, als ein Loch mit Klobrille, ummantelt von vier Kunststoff-Wänden? Und zudem noch ohne Anschluss. Wer braucht so was schon? Und so wollte es denn anfangs auch nicht so richtig flutschen mit dem Geschäft.
Gott half beim Geschäft
Bis dem braven Soldaten Gott zu Hilfe kam. Oder richtiger gesagt, dessen Stellvertreter auf Erden. Das war 1980 kein anderer als Papst Johannes Paul II. Und der hatte sich just zu einem Deutschland-Besuch angekündigt. Bei den zu erwartenden Menschenmassen mussten sich die Organisatoren des Events im Vorfeld notgedrungen auch mit der Frage der menschlichen Grundbedürfnisse beschäftigen. Denn auch kleinere Geschäfte, das weiß jeder aus Erfahrung, können fernab vom eigenen Heim und unter freiem Himmel schnell zum großen Problem werden. Zum Glück gab es Edwards Erfindung. So bekam der findige Amerikaner seinen allerersten Großauftrag. Der zugleich auch den Durchbruch für sein stilles Örtchen für unterwegs bedeutete.
Konkurrenz für Dixi
Zehn Jahre lang war Edwards Unternehmen europaweit das einzige, das mobile Toilettenkabinen vermietete und reinigte. Dann gingen 1983 Helga und Harald Müller mit ihrer Firma TOI TOI an den Start. In Wiesbaden war das. Ihr stilles Örtchen für unterwegs war rundum blau und auch stylischer als Dixi. Und entpuppte sich bald als ärgster Konkurrent im Kampf um die menschlichen Hinterlassenschaften. Erst 1997 kam Ruhe in die Häuser-Schlacht. Edwards hatte inzwischen seine Rechte verkauft und so konnten beide Sanitärdienstleister schließlich fusionieren – zu ADCO Umweltdienste Holding GmbH. Jetzt gesellte sich auch eine weitere Marke zu den Häuschen in Blau und Braun – die pinkfarbenen Olymp-Kabinen.
Bauboom kurbelt Geschäft an
Wie ein Blick in die Firmen-Chronik zeigt, liefen die Geschäfte des deutschen Klo-Häuschen-Vermieters gut. Schon Ende der 90er gab es keine Großveranstaltung in Deutschland mehr ohne Dixi und TOI TOI. Auch vom Bauboom profitierte das Unternehmen. Heute stehen auf beinahe jeder Baustelle – egal von welchem der inzwischen rund 200 Anbieter mobile Toiletten. So wie hierzulande der Bedarf an den sogenannten Freifallkabinen wuchs, so legte er auch international zu. 2012 etwa hatte der Branchen-Primus weltweit schon mehr als 200.000 mobile Toiletten im Einsatz. Und knackte 2015 beim Umsatz die 300 Millionen Euro-Grenze.
Krisensicheres Geschäft
Trotz starker Konkurrenz behauptet sich das 2021 zur TOI TOI & DIXI Group GmbH firmierte Unternehmen als Weltmarktführer im Bereich mobile Sanitärlösungen. Und bleibt weiter auf der Erfolgsspur. Denn das Geschäft mit den Grundbedürfnissen der Menschen ist halt krisensicher. So verbuchte der Branchen-Primus 2020 einen Umsatz von 428 Millionen Euro. Und vermietete fast 300.000 WC-Kabinen sowie rund 27.000 Sanitärzellen in rund 30 Länder. Das Produktangebot der Firma umfasst mittlerweile nicht nur spartanische Einzeltoiletten-Häuschen und Urinalständer, sondern auch VIP-Toilettenwagen und Luxus-Sanitärcontainer.
Erfolg mit drei Herzchen
Doch trotz aller Innovationen sieht die Standard-Version vom Dixi-Klo heute noch nahezu so aus wie zur Zeit seiner Erfindung. Ob Edwards wohl vor einem halben Jahrhundert damit rechnete, dass sein stilles Örtchen für unterwegs in der Produktgattung „Die mobile Toilette“ mal zur „Marke des Jahrhunderts“ gewählt werden würde? Ja, das ist Dixi wirklich. Und noch mehr. Dixi ist längst zur bekannten Marke geworden. Und zum Synonym für Mobil-Toiletten. So wie Tempo für Papiertaschentücher steht, Zewa für Küchenrollen und Tesa für das Klebeband. Dixi – eine Erfolgsgeschichte mit den drei Herzchen im Logo.
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